Alex Schroeder on 24 Sep 2001 16:42:01 -0000


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Re: [rohrpost] FYI: Sieben Thesen zur Lage


"Marco Vogts" <wb@woerterberg.de> writes:

> fuer mich klingt, was Du auf Chr. Spehr erwiderst, als haettest Du
> zu lange dem in zaghafte Bündnistreue verkleideten jämmerlichen
> Stumpfsinn zugehört, den die Bundesregierung von sich gibt.
> Sorry.

Verstehe ich nicht -- wenn es dir wirklich leid tut ("Sorry"), dann
hättest du doch einfach den Satz wieder löschen können?  Also vermute
ich, dass es dir eben nicht leid tut.

>>Mit einem bequemen Pazifismus, der jede Gegenhandlung mit
>>realistischer Erfolgschance für unmöglich erklärt, macht man es sich
>>zu leicht.
>
> Glaubst Du denn wirklich an einen moeglichen "Erfolg" einer solchen
> Politik?  Bin Laden tot, Problem geloest - oder wie? Ist doch nicht
> Dein Niveau.

Deine Interpretation ist überrissen.  Aus "bequemer Pazifismus
... macht es sich zu leicht" lässt sich nicht herleiten: "Wir müssen
Bin Laden töten".  Da gibt es noch eine Menge weitere
Interpretationen.  Zum Beispiel: "Wir rüsten uns für bewaffnete
Einsätze in Krisengebieten und bringen so Kriegsverbrecher vor
Gericht.  Damit hoffen wir, die Täter zu bestrafen.  Gleichzeitig
schützen wir so unsere Aufbau Helfer vor Übergriffen.  Uns ist klar,
dass das Problem damit nicht gelöst ist, aber es ist sicherlich besser
als gar nichts zun."

>>Auch eine U.N. gibt es nicht ohne Friedenstruppen.
>
> Wenn ueberhaupt: Hat irgendjemand (Bush, Blair, Schroeder etc.)
> zuletzt ernsthaft die UNO erwaehnt?  Also.

Auch hier bezieht sich dein Argument nicht auf die vorherige Position.
Selbst wenn niemand die UNO erwähnt hat, kann die UNO bei gewissen
Aktionen nicht auf bewaffnete Truppen verzichten.

>>Man stelle sich einmal das Umgekehrte, in kleineren Dimensionen,
>>vor: Auf den Reisebus moslemisch-arabischer Touristen wird in
>>Deutschland von Neonazis eine Brandbombe geworfen, alle Insassen
>>sterben
>
> Das sind nicht mal Aepfel und Birnen.

Die Gemeinsamkeit liegt nicht bei den Motiven der Tat sondern bei der
Rationalisierung:

>> z.B. die Teilung Deutschlands oder gar die Entschädigungszahlungen für
>> NS-Zwangsarbeiter als kollektive Traumata und zwar nicht legitime, aber
>> psychologisch und kulturell verständliche Motive identifiziert; nach dem

Ich interpretiere das so: Durch dieses Beispiel soll verdeutlicht
werden, dass man eben aus der Vergangenheit heraus *keine*
Legitimation für Attentate herleiten kann.  Und somit finde ich den
Bezug zum WTC Anschlag und den Rationalisierungen gegeben.

Zu klären bleibt höchstens noch, *wer* hier rationalisiert.  In den
Zeitungen die ich lese, hat eigentlich niemand Verständnis für die
Attentäter gezeigt.  Ein tunesischer Bekannter meiner Freundin hat
sich am Telefon allerdings die Bemerkung erlaubt, dass es den
Amerikanern ja recht geschehe -- auch wenn es ihm um die Opfer leid
tue.  Der tunesische Bekannte rationalisiert hier also.  Würde ich
zudem diese Einstellung entschuldigen, dann würde ich im oben
genannten Sinn auch rationalisieren.

Alex.
-- 
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