Matze Schmidt on Wed, 11 Feb 2004 22:33:03 +0100 (CET)


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Re[3]: [rohrpost] Re: [n0name] TELEPOLIS: Mehr als Gewinnspiele(Matze Schmidt)


lieber johannes,

ich moechte nicht gerne die leidige debatte ueber prostitution anstimmen
- dennoch existieren keine nicht-kommerziellen sender. es gibt einfach
keine produktionen in dieser groeszenordnung, die ohne kommerz, also ohne
(hier die schnell-definition) vermarktung und verkauf des 'eigenen'
auskommen. ich werfe das nicht vor, ich spreche es nur als faktum aus.
vermarktung und verkauf von reboot's arbeitsleistung, & 'der' sender hat
alle meine sympathien, konnte man an der ersten sendewoche ablesen
(abhoeren), die fuer die koop mit ideellen und (wie auch immer) reellen
sponsoren produziert wurde. das hat bereits schon einige wenige credits
gekostet -> siehe u.a. im forum auf www.reboot.fm . was jetzt wie ein
moralischer vorwurf aussieht, ist nur die Beobachtung eines normalen
Vorgangs, der hier nur, wie bei wohl allen Radioprojekten mit hoher
Selbstvermarktungsschwelle und dem feinen Unterschied-machen-wollen, in
einer Anfangsphase vor der ideologischen Konsolidierung, in den Fokus geraet.

ich darf aus meiner Tele-Abmahnung an netzspannung.org - die als
teledienst (mit d. erweiterten redaktionssruktur terrestrisch + netz
etc. ist reboot nichts anderes) ja aehnlich, wenn auch in groeszerer
Dimension gelagert sind - zitieren:

Sogenannte "nicht-kommerzielle Zwecke" gibt es nicht. Sie gibt es
aus einer buergerlichen Position des Verstaendnisses von Oekonomie als
Wirtschaft und Handel heraus. Status und Verhaeltnisse der Plattform
'netzspannung.org' resultieren aber, wie aus im Internet kursierenden
Mitteilungen ersichtlich, aus der Position eines staatlich
subventionierten, also mit Steuergeldern aus Lohnverhaeltnissen
finanzierten Unternehmens. Dieses Ausbeutungsverhaeltnis ist nicht nur
nie nicht-kommerziell, sondern sogar hoechst kommerziell. Das Kuerzel
"Non-Profit" ist daher ebenfalls nicht stimmig, zumal ein quasi
oeffentlich-rechtlicher Mediendienst zwar nicht viel mehr als, aber
immerhin kulturelle Credits zu verteilen hat.

nichtkommerziell kann nur das sein, was sich nicht vermarkten muesste.
lexikalische lehrmeinung ist, dasz kommerziell sei, was sich den
interessen der wirtschaft unterordne - ja aber was, auszer der sog.
unbezahlten oder auch affektiven arbeit oder der sog. freizeit, ist denn
den "interessen der wirtschaft" (genauer: den interessen des kapitals)
nicht untergeordnet? sind diverse stiftungen etwa keine arbeitgeber, wie
sie bei den projekteroeffnungen (in persona) wie und als solche auftreten?
nur dasz hier, an dieser stelle, die wir subventionierung
nennen, "wirtschaft" und "oeffentlich-rechtlich" ununterscheidbar
werden. eine verschiebung, die nicht neu ist, sondern zumindest i.d. brd
und mind. seit der sozialen marktwirtschaft der nachkriegszeit existiert.
wenn ich sage _interessen des kapitals_, dann ist _wirtschaft_ genau nicht
gemeint, denn kapital meint nicht einfache den geldsack, das
raubtier-kapital. es meint das basale verhaeltnis unserer gesellschaft,
das sich in den alltaeglichsten moderationen widerspiegelt, wie z.B.
letzte nacht um ca. 2:00 wenn ein Toaster wiederholt "This is your
radio".  was meint er damit? eigentum oder identifikation?

ich klage nicht, dasz das nun eine sackgasse waere (die es ja ist), gebe
nur zu bedenken, dasz das Rausmischen (um im Radiojargon zu bleiben) des
eigenen Kommerzes, der nicht-kommerziel klingt (noncommercial sound),
ein blinder fleck, eine ghostnote ist, ein rascheln, das alles nicht so
ganz gemuetlich macht wie es vielleicht sein soll und dennoch erst den
groove bringt. kleine anreicherungen des rhythmus, die ihn dynamisch
machen. und dieser groove ist der vorlaeufige gewinnerstatus.

ich finde, die kurz angerissene diskussion mit B92 beim 2.
radioriff-talk hatte schon angedeutet wie es - u.a. mit reboot -
weitergehen kann (stichwort laengere oder kuerzere sendezeit, laengerer
turnus, konkurrenzstatus zu weiteren frequenzanwaertern): geld ist geld.

aus subsistenzgruenden mal getippt: nichts dagegen! aber dann bitte mit
einer ehrlichen, politischen verabschiedung des
gesellschaftsveraenderungs-labels, und wenn schon dann radikal mit
Autor-Hoerer-*Un*-Unterscheidung (wie wir ja von Antonio Negri und Sabine
Breitsameter lernen durften): mit offenem Um-Verteilungsplan (Open Safe).
meine Gage bei radioriff waren 150,- EUR. wer bietet mehr/weniger?

dennoch finde ich dasz projekt viel ansteuert, nur der leicht arrogante
gestus "wir bauen gerade ein radio auf, mann" ist etwas nervig. am
besten ist doch dann ein selfservice radio ohne core, so wie i.d.
automatenbar. ... was ja auch 1 idee gewesen waere, das geld hatte man
statt fuer sog. OS auch fuerschlaue city-radioautomaten ausgeben koennen.

grusz ;)

m

Wednesday, February 11, 2004, 9:01:26 PM, you wrote:
> vielleicht, dass kommerziell nach unmittelbarer
> verwertung klingt, - wahrscheinlicher ist, dass
> 'commercial' fuer vermittlung durch werbung steht.

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