Henning Ziegler on Sat, 14 Dec 2002 12:45:32 +0100 (CET)


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[rohrpost] AW: [rohrpost] Monsterbegriff Medien: Definitionen (für Uni-Leute)



Die 'neuen Medien' wären also gar keine Medien, sondern technische
Infrastrukturen, die einfach die Bereitstellung und Abrufung von
Datenpaketen (TCP/IP Protokoll) möglich machen (natürlich letzten Endes
für die Kriegsführung)? Die Pseudo-Objektivität der Maschinenstudien
(Kittler) ist selbst bereits konstruiert, allerdings auch ein nützlicher
Prüfstein für politisch motivierte Medienwissenschaft.

Best,
Henning

> -----Ursprüngliche Nachricht-----
> Von: rohrpost-admin@mikrolisten.de
[mailto:rohrpost-admin@mikrolisten.de]
> Im Auftrag von Manuel Bonik
> Gesendet: Freitag, 13. Dezember 2002 22:09
> An: rohrpost@mikrolisten.de
> Betreff: Re: [rohrpost] Monsterbegriff Medien: Definitionen (für Uni-
> Leute)
> 
> Ich fuehle mich bei dieser Diskussion um eine Definition von Medien
ein
> wenig an die Zeit Ende der 80er erinnert, als ich bei den schlimmen
> ("sozial-empirisch" orientierten) Kommunikationswissenschaftlern in
> Muenchen studiert habe. Da wurde einem an Anfang das Shannonsche
Modell
> aus der Theory of Communication vorgestellt, und dann hiess es: der
> schlimme Kerl habe natuerlich nur eine Theorie der Information
> dargestellt, weil er sich ja nur auf Syntax und gar nicht auf Semantik
> bezieht, und zu vernuenftigen Aussagen ueber Kommunikation und Medien
> koenne man nur kommen, wenn man die Beziehungen von Sender(-Mensch) zu
> Empfaenger(-Mensch) betrachtet, Absichten, Erwartungen etc. Und schon
> hatten die alles, was wir Listenreichen ungefaehr unter (technischen)
> Medien verstehen, aus ihrer Theorie verbannt und die besten Gruende,
im
> Auftrag irgendwelcher TV-Firmen die naechsten wohlbezahlten
> Fragebogen-Umfragen zu machen.
> 
> Ich war schon erstaunt, wie damals alles, was entweder in Richtung
> Medientechnik oder in Richtung nichtbehavioristische Psychologie
zielte,
> schlichtweg verboten war. Da waren dann die Lektueren von in ersterer
> Richtung Kittler und in zweiterer Oswald Wiener schon sehr befreiend,
> bei diesem auch gerade, weil er sehr skeptisch war, ob es sowas wie
> Semantik ueberhaupt gibt. Und von daher (plus ein wenig
> Norbert-Wiener-Lektuere) auch meine Skepsis, ob Soziologie ueberhaupt
> eine Wissenschaft ist.
> 
> Pauschal gesprochen, gehen die Probleme mit Medien-Definitionen immer
> dann los, wenn man im Medien-Begriff mehr als die - brauchbar
> definierten, aber eben rein technischen - Shannonschen Komponenten
> drinhaben moechte. Ob das die Sisyphosarbeit der Soziologen waere oder
> was der Normalbuerger mit Medien meint (>die Medien sind schuld<) oder
> auch der Spleen mancher >Uni-Leute<, einigermassen technische
> Mediendefinitionen wie
> 
> *** >"die Funktionen des Aufzeichnens, des Speicherns, der internen /
> externen
> *** >Verarbeitung, des Abrufens / Verbreitens / Übertragens und der
[...]
> *** >Aufbewahrung".
> 
> bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf Menschen zu beziehen. Denn
von
> denen wissen wir ja kaum auch nur rudimentaer, wie sie Informationen
> (auch ein mindestens doppeldeutiges Wort) z.B. >speichern< oder
> >verarbeiten<. Und werden das zu unseren Lebzeiten wohl auch nicht
mehr
> erfahren.
> 
> Von daher bin ich auch fuer eine engere Definition von >Medium<. Denn
je
> mehr das Wort umfassen soll, desto weniger ist es zu irgendwas zu
> gebrauchen.
> 
> Manuel Bonik
> 
> 
> 
> 
> On Wed, 11 Dec 2002 15:49:31 +0100
> Martin Lindner <Martin.Lindner@uibk.ac.at> wrote:
> 
> *** manuel bonik:
> *** > "Medien" steht als Monsterbegriff, auf dem/n sich ach so vieles
> abladen
> *** > und projizieren laesst, was dereinst mal auf Monsterbegriffe wie
> "Sprache"
> *** > oder spaeter auch gerne "Gesellschaft" abgeladen und projiziert
> wurde. Dann
> *** > wechseln die akademischen Moden, und - wir suchen schon wieder
nach
> einem
> *** > neuen Monsterbegriff?
> ***
> *** Ja, de facto funktioniert "Medien" als "Monsterbegriff". Aus
vielen
> Gründen -
> *** u.a. auch deshalb, weil ein sehr mächtiger/suggestiver
> gesellschaftlicher
> *** "Mythos" (im Barthes'schen Sinn) damit verknüpft ist.
> ***
> *** Darum ist es auch völlig richtig, zuerst mit einer trockenen
> Definition zu
> *** antworten (und dann den Mythos zu analysieren, der ja auch gerade
hier
> bei der
> *** "Medienkunst" wirksam ist):
> ***
> *** harald hillgaertner
> *** > Für einen "Monsterbegriff" mal eine "Monsterdefinition":
> *** >"die Funktionen des Aufzeichnens, des Speicherns, der internen /
> externen
> *** >Verarbeitung, des Abrufens / Verbreitens / Übertragens und der
[...]
> *** >Aufbewahrung".
> *** >(Burkhardt Lindner: Das optisch Unbewusste. In: Tholen, Georg
> Christoph;
> *** >Schmitz, Gerhart; Riepe, Manfred: Übertragung - Übersetzung -
> Überlieferung.
> *** Kassel 2001. S. 274.)
> ***
> *** > Bietet jemand mehr?
> ***
> *** Ja, jedenfalls länger.  (Obwohl ich nicht weiß, ob es "mehr" ist
oder,
> was bei
> *** der Definition von "Medien" immer anstrebenswert wäre, "weniger"):
> ***
> *** "... die komplexen, eigendynamischen und binnelogischen Systeme,
die
> sich auf
> *** drei Ebenen um ein technisches Verfahren zur Codierung,
Übertragung
> und
> *** Decodierung von Zeichen herum ausbilden: auf der Ebene des
technisch
> *** restringierten Proto-Codes (Kittler ...), auf der Ebene der
> eigenständigen
> *** semiotischen/semantischen Codes ("Mediensprachen"als kulturelles
> Phänomen ...),
> *** auf der Ebene der sozialen Systeme (Luhmann ...)."
> ***
> *** "Technisch": Beginnend mit Fotografie und Telegrafie.
> *** Gezielt auszuschließen aus dem engen /exakten Begriff  von "die
> Medien":
> *** vortechnische Schrift- und Bild-Medien (die nur in dem
übertragenen
> Sinn
> *** "Medien" sind, dass sie im Rückblick, von den seit ca. 1980
gültigen
> *** Erkenntnissen über technische Medien aus, überhaupt erst als
"Medien"
> begriffen
> *** werden können); sämtliche ausgeweiteten Medienbegriffe ("die
Sprache";
> "das
> *** Bild", "die Literatur", die Hostie/die Messe (Hörisch)) usw. ...
und
> der
> *** Luhmann'sche Medien-Begriff, der trotz Schwerverständlichkeit
schon
> sinnvoll
> *** ist, wenn er nicht "Medium" hieße.
> ***
> *** Bitte um Widerspruch.
> ***
> *** Martin
> ***
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