Tilman Baumgaertel on Fri, 4 Oct 2002 12:40:39 +0200 (CEST) |
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Re: [rohrpost] CODeDOC |
Hallo! Dank an Florian für die ausführlichen Kommentare, die ich nun nicht wiederum alle kommentieren will, sondern nur dies: >> Insofern >> finde ich den Ansatz des Whitney-Museums kuratorisch sinnvoll; würde ich >> in einem Museum arbeiten, das digitale Kunst sammelt, so würde ich >> darauf bestehen, das angekaufte Werke auch im Quellcode erworben werden. Kuratorisch sinnvoll ist es sicher, dagegen habe ich auch gar nicht argumentiert. Komisch finde ich es bloss, dass hier der Code vor der Arbeit kommt. Da stimmt für meine Begriffe die Reihenfolge nicht, wenn man erst das Programm lesen soll, bevor man es ansehen kann. >> Doch trotz einiger gelungener Arbeiten wie dieser hinterlässt CODeDOC >> einen faden Nachgeschmack: Denn die Ausstellung zeigt auch, wie aus >> dem Hype um "Software-Kunst", der seit zwei oder drei Jahren durch die >> Medienkunst-Szene geistert, schnell ein ödes Abfeiern technischer >> Virtuosität geworden ist, bei der Ideen und Inhalte zweitrangig sind. >> Was > >Einspruch! Du würdest dasselbe doch niemals schreiben, wenn wir von >Netzkunst und amerikanischen Netzkunst-Ausstellungen sprechen würden, >obwohl es da dieselben oberflächlichen Symptome (Professionalisierung >bei inhaltlicher Verflachung) gibt. Oh doch! Da hat es bloss so eine Ausstellung lange nicht gegeben, an der man diese Punkte haette diskutieren koennen. Es kommt mir auch nicht sinnvoll vor, jetzt Netzkunst gegen Softwarekunst auszuspielen, letztlich basiert alles auf Code, und schon bei den simplesten und aeltesten Arbeiten läuft im Hintergrund oft irgend CGI-Skript. Mir ist auch etwas komisch dabei, amerikanische und europäische Netz- und Softwarekunst so auseinander zu dividieren, aber die meisten US-Arbeiten sind leider wirklich flach. Und trotzdem werden sie dauernd ausgestellt! Tatsache ist doch, daß Netz- und >Softwarekunst in Europa immer noch spannender sind, weil sie nicht so >schnell institutionalisiert wurden, und zwar dank eines akademischen >Medienkunst-Mainstreams, der nach wie vor in den Kategorien "interaktive >3D-Installation", "Video" und "Hightech" denkt und Bill Viola für den da >Vinci der elektronischen Künste hält. > Ich habe das Gefuehl, das sich das gerade aendert. >In den USA hat es meiner Meinung nach durch Rhizome und die größere >Akzeptanz seitens professioneller Kuratoren, die sich in >Netzkunst-Schauen im Whitney und SF-MOMA niedergeschlagen hat, leider >auch ein sehr schnelles Mainstreaming von Netz- und Softwarekünstlern >gegeben. Keiner von denen pinkelt anderen mehr öffentlich ans Bein, weil >es da mittlerweile um Hochschul-Laufbahnen geht. > Dass es um Hochschul-Laufbahnen geht hat noch nie jemanden davon abgehalten, andere in die Pfanne zu hauen, ganz im Gegenteil. Mir persönlich wäre es ganz recht, wenn die diesbezügliche Debatte etwas angeheizt würde. Im Augenblick ist das alles etwas selbstgenügsam und auf die eigene Szene bezogen. Ich weiss nicht, ob solche Ausstellungen daran etwas aendern, aber wenigstens gibt es dann die Möglichkeit einer Auseinandersetzung mit der wirklichen Welt. Dass das notwenigerweise zu mehr Mainstream führt, glaube ich nicht. >> "Material" auseinander zu setzten. Aber die meisten Arbeiten, die bei >> "CODeDOC" zu sehen sind, haben wenig Interesse an den Auswirkungen von >> Code auf die wirkliche Welt jenseits des Computers, sondern freuen >> sich lieber still an den Bildern, die ihre kleinen Programme auf dem >> Monitor produzieren. > >Man hätte ja auch ganz andere Arbeiten zeigen können: Politaktivistische >Software wie die Website-Umcodierungstools der Yesmen oder die >Antimafia-peer to peer software von EpidemiC, walser.php von textz.com, >die Arbeiten von mongrel/Graham Harwood, Untitled Game von jodi, um nur >ein paar Dinge zu nennen! > Da muss man nun der Gerechtigkeit halber erstens sagen, dass das Whitney ein Museum für US-Kunst ist, und die genannten Künstler daher nicht in Frage kommen, und zweitens, dass alle Arbeiten bei "CODeDCO" eigens vom Whitney in Auftrag gegeben worden sind, weswegen die genannten, schon existierenden Arbeiten ebenfalls nicht in Frage kommen. Darum ist meine ganze Kritik auch auf sehr hohem Niveau, denn um so eine Ausstellung kritisieren zu können, muss es sie zunächst mal geben. Was die Präsentation von solchen Arbeiten angeht, hat sich das Whitney in der letzten Zeit wirklich hervorgetan. In Deutschland macht sowas kein Museum, weil die immer gerade damit beschäftigt sind, eine weitere Ausstellung mit Jessica Stockholder oder Daniel Richter zu organisieren. Gruesse, Tilman ------------------------------------------------------- rohrpost - deutschsprachige Liste zur Kultur digitaler Medien und Netze Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost http://post.openoffice.de/pipermail/rohrpost/ Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de/cgi-bin/mailman/listinfo/rohrpost/