Tilman Baumgaertel on Fri, 30 Aug 2002 12:25:11 +0200 (CEST)


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[rohrpost] Nochmal Counterstrike


Hi!

Hier Teil zwei und drei der Counterstrike-Trilogie. Nach einem Bericht
ueber eine LAN-Party in der Zeit nun ein Text ueber die Counterstrike-Maps
fuer die taz und Counterstrike vs. Linux in der Netzeitung. 

Gruesse, 
Tilman 

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IN DER TAZ: 
http://www.taz.de/pt/2002/08/30/a0131.nf/text

Im Labyrinth der Wirklichkeiten

Der Stoff, aus dem die virtuellen Räume sind: Die Fans des umstrittenen
Computerspiels Counterstrike basteln sich am Bildschirm neue Welten, deren
Mosaiksteinchen sie der Realität entnehmen. Ästhetische Betrachtungen zu
einem Phänomen

von TILMAN BAUMGÄRTEL

Man rennt. Man rennt und rennt durch einen dunklen Gang und dann durch ein
halb geöffnetes Tor. Plötzlich steht man in der gleißenden Sonne. Man
kneift die Augen zusammen. Der Sand scheint im Licht zu glitzern, über
steilen Berggipfeln spannt sich ein tiefblauer Himmel voller dramatischer
Wolkenformationen. Vor einem liegt eine Festungsanlage, die Architektur ist
nur schwer zuzuordnen.

Die Wände sind aus großen Sandsteinquadern zusammengesetzt, die oben und
unten von gemeißelten Ornamenten abgeschlossen werden. Sie werfen scharfe
Schatten auf den Sandboden, in dem mit großen Steinplatten Wege angelegt
sind. Sie führen durch mehrere verschachtelte Innenhöfe und Gänge, auf eine
Empore und in verschiedene Keller. Ist das eine Berganlage in Nordafrika?
Ein Tempel im Himalaja? Eine römische Ruine auf Sizilien oder ein Fort in
New Mexico?

Es ist "de_dust". "de_dust" ist eine Map, eine Art Spielfeld im
Computerspiel Counterstrike: das Szenario, im dem Terroristen und
Counterterroristen sich gegenseitig jagen. Bei "de_dust" versuchen die
Terroristen, eine Bombe zu legen, ihre Gegner, sie daran zu hindern. In
anderen Varianten des Spiels muss man Geiseln retten oder dafür sorgen,
dass sie nicht gerettet werden. Zu Recht ist Counterstrike als ein
"virtuelles Räuber-und-Gendarm-Spiel" bezeichnet worden. Drei Jahre ist es
alt, und bis heute ist es rund um den Globus das populärste Ballerspiel: In
einer Szene, in der ein Game meist nach höchstens einem Jahr out ist, ein
einzigartiges Phänomen.

Über Counterstrike wurde hierzulande in den letzten Monaten viel
diskutiert. Das Computerspiel, das in Deutschland angeblich täglich eine
halbe Million Menschen über das Internet gegeneinander spielen, ist in
Verruf geraten, seit bei Robert Steinhäuser, dem Amokläufer von Erfurt,
eine CD-ROM mit dem Spiel gefunden wurde. In den deutschen Medien brach
daraufhin eine Debatte darüber los, ob Computerspiele wie Counterstrike
Jugendliche gewalttätig machen können.

Teenies als Netzkünstler

Die Maps, auf denen Counterstrike basiert, sind in der Diskussion über das
Spiel bisher kaum wahrgenommen worden. Dabei sind sie ein bemerkenswertes,
kulturelles Phänomen, das man als Weiterführung des Konzepts des
"postmodernen Pastiches" betrachten kann, das in der Kunst und der
Architektur der 80er- und 90er-Jahre eine wichtige Rolle gespielt hat.
Außerdem hat sich um die Maps eine faszinierende Subkultur entwickelt,
deren Angehörige immer neue Counterstrike-Landschaften entwickeln.
Hunderte, wenn nicht tausende dieser Maps können von Spiel-Servern im Netz
heruntergeladen werden. Die meisten von ihnen stammen von Teenagern.

Die offizielle Version von Counterstrike wird mit achtzehn verschiedenen
Maps ausgeliefert. Bevor man eine Runde des Spiels beginnt, muss man sich
erst einmal entscheiden, ob man durch ein Landhaus in einem Park inklusive
Gartenteich hetzen will ("cs_estate"), durch einen Hinterhof in einer
amerikanischen Großstadt ("de_vertigo") oder durch einen Jumbojet
("cs_747"). Dann geht es los.

Ältere Ballerspiele wie Doom, Quake oder Unreal spielten meist in
unterirdischen Laboren, Höhlen oder in den Gemächern von
Fantasy-Schlössern; die Gegner waren in der Regel Monster, Außerirdische
oder andere unheimliche Kreaturen, die aus dem Dunkel finsterer Ecken,
Röhren, Gänge oder Tunnels angriffslustig hervorgeschossen kamen. Die
Ikonografie dieser Spiele bediente sich aus dem Fundus von Horror- und
Science-Fiction-Filmen.

Counterstrike ist realistischer. Wenn es für dieses Spiel ein Kinovorbild
gibt, dann sind es Agenten- und Actionfilme wie "Mission Impossible".
Counterstrike braucht keine Fantasy-Elemente mehr, die wegen ihrer größeren
Abstraktion leichter mit dem Computer darzustellen sind - die Entwickler
haben die Möglichkeiten der Software so weit ausgereizt, dass sie annähernd
fotorealistische Spielszenarios entwerfen können.

Das ist umso erstaunlicher, wenn man weiß, dass Counterstrike eigentlich
eine Weiterentwicklung des Ego-Shooters Half-Life ist. Diese "Modification"
wurde von zwei Fans, die damals noch in den USA aufs College gingen, in
ihrer Freizeit aus dem Code des kommerziellen Spiels geschaffen. Half-Life
spielt in einer halbdunklen, unterirdischen Forschungsanlage, in der man
Monster aus einer anderen Dimension bekämpfen muss.

Der technische Fortschritt in der Computertechnologie und dem
Erfindungsreichtum der Entwickler, die Half-Life zu Counterstrike umbauten,
ist es zu verdanken, dass Counterstrike nun in Szenarios spielt, die nicht
nur zu einem großen Teil en plein air gezeigt werden, sondern auch hell wie
der lichte Tag sind. Bei anderen Computerspielen stehen Charaktere wie Duke
Nukem oder Lara Croft im Mittelpunkt. Hier sind die Figuren hinter
Gasmasken, Helmen oder Hasskappen versteckt. Die wahren Helden des Spiels
sind seine Landschaften.

Digitale Volkskultur

Nicht nur am Spielcode von Counterstrike haben Schüler und Studenten
herumgebastelt. Mit speziellen Programmen kann jeder, der genug Geduld für
so eine aufwendige Arbeit hat, eigene Maps herstellen. So hat sich eine
digitale Volkskultur entwickelt, und die selbst zusammengeschraubten
Counterstrike- Landschaften sind oft besser als die mitgelieferten.

So kann man sich durch digitale 3-D-Versionen eines brasilianischen Ghettos
ballern (im Hintergrund läuft leise HipHop auf Portugiesisch), durch
Garagen in verschneiten Tundralandschaften, durch die ein eisiger Wind
pfeift, durch die Kulisse des Spielberg-Films "Jurassic Park" oder sogar
über ein Monopoly-Brett. "Fun-Maps" wie Letztere eignen sich zwar nicht zum
längeren Spielen, werden aber bei den LAN-Partys, bei denen sich die
Counterstrike-Fans zum Turnier treffen, gern mal in einer Pause gezockt.

All diese Maps sind aus hunderten von digitalen Mosaiksteinchen
zusammengesetzt. Die Vorlagen werden zum Teil mit der Digitalkamera in der
Nachbarschaft abfotografiert: Briefkästen, Klingelbretter, Straßenschilder
oder Gullydeckel. Ein großer Teil der dreidimensionalen digitalen Collagen
- nichts anderes sind die Maps - stammt aus dem endlosen Fundus des
Internets, in dem die Mapper sich gotische Fensterbögen oder aztekische
Ornamente zusammensuchen.

Der amerikanische Architekt Robert Venturi hatte 1972 in seinem
programmatischen Buch "Learning from Las Vegas" für eine Architektursprache
plädiert, die die Zeichen und Symbolik der Trivial- und Massenkultur zum
Ausgangspunkt nimmt. Zusammen mit Kollegen wie Charles Moore oder Robert
Stern entwickelte er eine Architektur, die mit Zitaten und formalen
Referenzen spielt und historische Vorbilder in einer spielerischen
Pseudomimikry aufrief. Der amerikanische Literaturwissenschaftler Fredric
Jameson hat diese Methode des Pastiches, der Kombination von Anspielungen
auf ganz verschiedene kulturelle und historische Bereiche, als typisch für
die Postmoderne bezeichnet und als Vorgehensweise auch in der Literatur und
dem Kino entdeckt.

Die Counterstrike-Mapper gehen über dieses Verfahren noch hinaus: Sie
kombinieren disparate Elemente, jedoch nicht im collagierenden Stil der
postmodernen Architektur, die noch die Unterschiedlichkeit ihrer Quellen
betont, sondern indem sie sie zu einem neuen Kontext verbinden. Eine
Holztür von einer Website über englische Landhäuser, die Kacheln der
Mensatoilette, ein Giebel aus einem Buch über die Provence gescannt, ein
Britney-Spears-Poster von der Website des Popstars, eine Bierflasche aus
dem Supermarkt gegenüber - das ist der Stoff, aus dem die
Counterstrike-Maps bestehen. Aus den disparaten, zusammengesuchten
Elementen ist wieder ein in sich geschlossenes visuelles System geworden:
eine neue Welt aus alten Teilen.

Homogener Kosmos

Die Einzelteile sind einer erstaunlich homogenen Ästhetik untergeordnet,
die den Look der meisten Counterstrike-Maps prägt. Grelle Farben und Pop-
Referenzen werden vermieden, stattdessen dominieren gedeckte Grau-, Blau-
und Brauntöne und Szenarios, die von wirklichen Orten inspiriert worden sind.

Im Gegensatz zu dem Egoshooter-Klassiker Doom, der in seinen neuen
Versionen immer stärker auf comichafte Bilder setzt, arbeiten sich die
Counterstrike- Mapper an einem Bilderkosmos ab, der oft an den
Fotorealismus in der Kunst der 70er-Jahre erinnert - wäre da nicht im
Vordergrund die Waffe, die ins Bild hineinragt. Die nachgebauten
Schulgebäude, die in der Vergangenheit immer wieder für Empörung gesorgt
haben, fehlen dabei weitgehend.

Besonders gut gelungene Einrichtungsgegenstände aus ihrem Privatkosmos
stellen die Mapper auf ihren Websites dem Rest der Gemeinde zur Verfügung.
Diese "Prefabs" können schlichte Palmen, ein Wasserturm oder eine Coladose
sein, aber auch kompliziertere Modelle wie ein Gabelstapler oder ein
Wasserfall. Zwar widerspricht es dem Ehrenkode der echten Mapper,
Gestaltungselemente von anderen zu übernehmen. Trotzdem stehen in Maps, die
so weit voneinander entfernte Orte wie eine McDonalds-Filiale in
Deutschland oder ein Büro in den USA zeigen, zuletzt die gleichen
Colaautomaten.

Wer nach einer ausgedehnten Counterstrike-Session wieder auf die Straße
tritt, sieht eine Welt, die sich in ihre Einzelteile auflöst. Jede
Straßenlaterne, jede Zaunlatte wirkt wie ein Prefab, der Gipsputz Berliner
Altbauten zerlegt sich in seine standardisierten Elemente, und hinter jedem
Ziegel, jeder Kachel und jedem Pflasterstein steckt eigentlich eine
.jpg-Datei, die über ein Gittermodel gelegt wurde. Und die Kisten, die sich
da vor dem Lieferanteneingang des Supermarkts stapeln - stammen die nicht
noch aus Half-Life?

Viele Dank an die "Mapper", die bei der Recherche für diesen Artikel
geholfen haben: Bruder D (http://www.bruderd.rockz.de), Flashgott
(http://www.flashgott-maps.de), The Dönerking
(http://www.thedoenerking.de), moco2k (http://www.moco2k.de)

taz Nr. 6840 vom 30.8.2002, Seite 15, 334 Kommentar TILMAN BAUMGÄRTEL,
Rezension

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IN DER NETZEITUNG:
http://www.netzeitung.de/servlets/page?section=585&item=203376

Bauen an der neuen Stadt
21. Aug 08:04

Nach dem Massaker von Erfurt bekam Counterstrike eine denkbar schlechte
Presse. Dabei steht für die Fans Teamgeist im Vordergrund: Beim Spielen wie
beim Konstruieren eigener Szenarien.

Von Tilman Baumgärtel

Über das Computerspiel Counterstrike ist in den deutschen Medien in den
letzten Monaten viel geschrieben worden – leider auch viel Unsinn. Nachdem
im Zimmer des Erfurter Schülers Robert Steinhäuser, der in seinem Gymnasium
Amok gelaufen war, das Spiel gefunden worden war, wurde es von der Presse
schnell als mitverantwortlich für die Bluttat dargestellt. In flüchtig
recherchierten Artikeln voller sachlicher Fehler, die oft mit blutrünstigen
Screenshots von anderen Spielen illustriert waren, wurde Counterstrike als
Ballerspiel dargestellt, bei dem es vor allem darum geht, so viele
virtuelle Gegner wie möglich umzubringen.

Diese Darstellung verkennt nicht nur die Natur dieses Mannschaftsspiels, in
dem wildes Herumballern wenig und zielgerichtetes Teamplay viel bringt,
sondern auch seine erstaunliche Erstehungsgeschichte. In vieler Hinsicht
erinnert die Entwicklung von Counterstrike an die des alternativen
Betriebssystems Linux. Zwar ist Counterstrike – anders als Linux – kein
Open-Source-Programm, sondern durch konventionelles Urheberrecht geschützt.
Dass Counterstrike aber überhaupt existiert und zum populärsten Game der
letzten Jahre geworden sind, verdankt sich nur der Freigabe des Codes des
kommerziellen Ballerspiels Half-Life.

Spiel für die vernetzte Gruppe

Half-Life ist – anders als Counterstrike – tatsächlich ein Ego-Shooter der
alten Schule: der Spieler hastet durch ein unterirdisches Labor und muss
auf Monster aus dem Weltall ballern. Im Gegensatz zu diesem
Science-Fiction- Szenario spielt Counterstrike in fast fotorealistischen
Szenarios, in denen eine Gruppe von «Counter-Terrorists» den Terroristen
Geiseln abjagen oder sie davon abhalten muss, eine Bombe zu legen.
Counterstrike ist darum eines der ersten Computerspiele, das nur in der
Gruppe, an vernetzten Computern sinnvoll zu spielen ist.

Counterstrike basiert auf der selben «Game Engine» wie Half-Life, also der
Software, mit der die verschiedenen Spielszenarios und die Spielfiguren auf
dem Bildschirm erzeugt werden. Nachdem das Spiel kommerziell ausgewertet
war, wurde dieses Programm von den Lizenzinhabern freigegeben.
Counterstrike ist also eine «Modification» von Half-Life, kurz Mod genannt:
Es hat sich durch den Einsatz von einigen Hobby-Programmierern zu einem
neuen Spiel entwickelt, dessen Grafik und Spieleigenschaften das Original
bei weitem übertreffen.

Kooperation übers Internet

Die «Erfinder» von Counterstrike sind im Internet bis heute vorwiegend
unter ihren Netz-Pseudonymen Gooseman und Cliffe bekannt. Gemeinsam haben
sie als Collegestudenten 1999 damit begonnen, in zäher Kleinarbeit an ihrer
Version von Half-Life zu arbeiten, die nun schon seit über zwei Jahren zu
den beliebtesten Computerspielen überhaupt gehört. An der Weiterentwicklung
des Spiels arbeitet eine Reihe weiterer Fans mit, zum Teil von Europa und
Kanada aus. Sie kooperieren ausschließlich über das Internet.

Auch für das neue Spiel haben Fans bereits wieder eigene Maps entworfen.
Maps sind die «Szenarios», in denen gespielt wird: ein Labor, ein Flur,
eine Treppenflucht. Das Original-Counterstrike wird zwar mit 18 eigenen
Maps ausgeliefert, doch die selbstgebauten Spielfelder der Amateure sind
oft kreativer, oder besser zu spielen, wie manche Fans meinen. Ein
beträchtlicher Teil der Maps stammt von Teenagern, die zwar in ihren
jeweiligen Heimatländern noch nicht wahlberechtigt sind, aber für
Counterstrike dreidimensionale Raum-Simulationen bauen, die erwachsene
Profis verblüffen.

Mitarbeit der User

Die Parallelen zu Linux sind augenfällig: Ähnlich wie das alternative
Betriebssystem, das von Tausenden von Programmierern in der ganzen Welt
ehrenamtlich weiterentwickelt wird und inzwischen sogar Microsofts Windows
Konkurrenz macht, lebt auch Counterstrike von der Mitarbeit seiner User.
Ähnlich wie bei Linux kann man auch bei Counterstrike die neuesten
Versionen des Spiels gratis aus dem Internet herunterladen, obwohl es auch
kommerzielle Versionen für PC und die Playstation zu kaufen gibt.

Die Konstrukteure der Maps haben keine Gewinnabsichten, sondern wollen sich
in der Szene profilieren. Der deutsche Mapper Bruder D spricht sogar von
«künstlerischer Selbstverwirklichung», auch wenn er einschränkt, dass er
«schon etwas desillusioniert» sei, weil in der Counterstrike-Szene oft «die
Standard-Maps gespielt werden, ohne sich die Mühe zu machen, auch andere,
oft qualitativ bessere Maps zu testen.»

Traumarchitekturen verwirklichen

Trotzdem ist um die Counterstrike-Maps eine eigene Subkultur entstanden.
Neue Maps werden nicht nur nach Spielbarkeit, sondern auch nach Kategorien
wie «Atmosphäre» oder «Ästhetik» beurteilt. So heißt es auf einer
Counterstrike-Fansite über eine Map mit dem Namen «de_terminal22»: «Das
einzige Problem bei dieser Map ist, dass die kalte und graue sibirische
Atmosphäre so gut getroffen ist, dass es viele Leute schnell in wärmere
Gefilde ziehen könnte.» Zum Beispiel nach «cs_ephyra2», geschaffen von
einem Mapper namens 3DPunk. Über dessen südeuropäisches Städtchen heißt es
in einer Rezension: «Guter Einsatz von Vegetation – Topfpflanzen, Unkraut,
das aus den gepflasterten Strassen wächst, und ein kleiner, stiller Garten,
der eine ganz eigene Atmosphäre hat.»

Beliebte Szenarios sind unter anderem frei stehende Häuser, Ruinen,
öffentliche Gebäude, aber auch eine ägyptische Pyramide ist schon als
Counterstrike-Map wieder erstanden. «Meistens kommen mir die Ideen im Traum
und am nächsten Tag versuche ich diese dann umzusetzen oder an Hand von
grafischen Skizzen festzuhalten», sagt der Berliner Mapper The Doener King,
der mit bürgerlichem Namen Benni Stingl heißt, 19 Jahre alt ist und eine
Ausbildung als kaufmännischer Assistent macht.

Die Welt als Map

Man kann diese Aktivitäten als eine Art Modell-Eisenbahnbau mit dem
Computer oder ein digitales Malen-nach-Zahlen abtun. Aber damit
unterschätzt man nicht nur die technischen Fertigkeiten, die das Mapping
erfordert, sondern auch den erforderlichen Ideenreichtum und
Arbeitsaufwand. Je nach Erfahrung und Fleiß ist man zwischen einer Woche
und mehreren Monaten mit einer guten Map beschäftigt. Wer dann noch Energie
übrig hat, veröffentlicht auf seiner Website Mapping-Bauanleitungen für
andere Counterstriker.

Denn die Konstruktion der Maps ist eine komplexe Sache, bei der zahlreiche
Beschränkungen zu berücksichtigen sind: Die Räume, die in dem Spiel zu
sehen sind, können aus technischen Gründen eine bestimmte Größe nicht
überschreiten. Die Counterstrike-Szenarios bestehen darum aus
hintereinandergeschachtelten Räumen, Gängen, Kellern, Treppenfluchten. Denn
jede Counterstrike-Map ist ein errechnetes Bild, und bei großen Hallen oder
langen Straßenfluchten müsste der Computer zu viele Polygone verarbeiten.
Auch die Außenräume, die der beschränkten Technologie mit minutiöser
Detailarbeit abgerungen werden, müssen in kleinere Einheiten unterteilt
werden.

Fast könnte man diese Maps als eine Art animierter Landschaftsmalerei
betrachten. So hat sich um das angeblich geistlose Ballerspiel eine
erfinderische, vollkommen selbstorganisierte Szene entwickelt, in der
Teenager aus der ganzen Welt an ihrem eigenen Privatkosmos bauen, bis der
ganze Erdball als Counterstrike-Map im Rechner auferstanden ist.
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