Ledönk on Tue, 9 Mar 2004 15:40:59 +0100 (CET)


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http://www.linkeseite.de/trend/trd0304/t130304.html

Partisan.net implodiert!

Ein  Interview mit Karl-Heinz Schubert zur aktuellen Situation des
Partisan.net

In der letzten Tagen wurde der hinterhältige Anschlag von Günter
Langer, der am 1.3.2004 zum Crash des Partisan.net führte, vor allem
bei Indymedia diskutiert und es wurde darüber spekuliert, wie ihm dies
technisch gelingen konnte. Dazu führten wir mit Karl-Heinz Schubert,
dem Eigentümer der Partisan-Domain, ein Interview.

trend: In der Netzöffentlichkeit wird zur Zeit heftig spekuliert, wie
es Günter Langer gelingen konnte,  das Partisan.net vom Netz zu nehmen
und damit allen dort gehosteten politischen Initiativen immens zu
schaden.

KHS: Der technische Aspekt ist leicht erklärt. Günter Langer war im
Besitz der Zugangscodes für die Verwaltungsseite des Partisan.net bei
Network Solution. Er hat einfach die Nameserver-Eintragungen gelöscht,
die auf den Hostprovider zeigten, wo die Dateien des Partisan.net und
der Subdomains: members, trend, info, linkebuchtage usw. liegen. Die
liegen zwar immer noch dort, sind nun aber nicht mehr erreichbar. Von
diesen Löschungen ist auch der Mailserver des Partisan.net betroffen.
Keine der Emailadressen des Partisan.net funktioniert zur Zeit.

trend: Wie konnte denn der Langer überhaupt in den Besitz der Codes
kommen?

KHS: Dazu muss ich ein wenig ausholen. Das ist sozusagen der andere,
der nichttechnische Aspekt. Vor ziemlich genau sechs Jahren schmiss
der Inhaber des Berlinet den trend und die vom trend im Internet
unterstützen Projekte in einer Nacht- und Nebelaktion von seinem
Server, indem er alle Daten löschte. Ich gehörte damals der
trend-Redaktion ebenso an wie Günter Langer und wir waren uns mit
anderen darin einig, eine eigene datentechnische Basis für unsere
Internetpublizistik zu schaffen. Dies sollte durch einen
strömungsübergreifenden Zusammenschluss mit anderen Gruppen und
Einzelpersonen erfolgen, die damals auch ins Internet drängten. Im Mai
1998 eröffnete das Partisan.net, von Bettina S. und mir formal als
Eigentümer bzw. als Verwalter getragen, im Internet. Um den
verschiedenen Gruppen, die wir hosten wollten, Mitsprache und
Transparenz zu garantieren, begannen wir basisdemokratische Formen der
Organisierung der Partisan.net-Eigentumsverhältnisse aufzubauen. 1999
versuchte Stefan Pribnow erfolglos, das Partisan.net formal in Besitz
nehmen, nach dem wir ihn gezwungen hatten, die berüchtigten
Rabehl-Texte aus dem Partisan.net zu entfernen.  Eine Folge dieses
Konflikts war es, dass an die Stelle der bis zu diesem Zeitpunkt
entwickelten eher formalen Entscheidungsstrukturen – wie ein Verein
oder ähnliches, nun eine informelle Struktur trat. Während sich
Bettina und andere aus diesen Strukturen herauszuhalten begannen,
gewann Günter Langer dort zusehends Einfluss und Bedeutung.  2000/01
strengten Stefan Pribnow und sein Anwalt Trenzcek Verfahren gegen mich
als Verwalter des Partisan.net an. Wir zogen es daher vor, um das
Partisan.net gegen diese Verfahren unangreifbar zu machen, dass ich
die Verwalterfunktion an Günter Langer abgab. Parallel dazu
diskutierten wir, wie wir die Domain durch Verlagerung ins Ausland,
besser schützen könnten. Günter favorisierte besonders die USA, da
seine Frau in Florida lebt und er dorthin auszuwandern plant. Als
infolge des 11. September 2001 die USA einen imperialistischen Krieg
begannen, lehnten wir die USA als Ort für eine zukünftige Datenbasis
des Partisan.net ab. Günter sah dies anders. Er befürwortete den
US-imperialistischen Überfall auf Afghanistan und publizierte diese
politischen Ansichten nicht nur im Partisan.net, sondern auch in der
Berliner Lehrerzeitung, deren Redakteur und Autor er ist. Von seiner
SDS-Website bliebt nur noch der Name übrig, die alten Inhalte wurden
archiviert. Der Krieg der Kulturen sollte fortan Günter Langers
politisches Hauptbetätigungsfeld im Internet unter dem Label SDS sein.

trend: Das heißt nach dem 11. September begannen sozusagen politische
Gräben aufzubrechen.

KHS: Richtig. Im Frühsommer 2003 ließ Günter Langer uns eher nebenbei
wissen, dass er in den USA, wo er sich ja mehrmals längere Zeit im
Jahr aufhält, günstigen Webspace besorgt hätte, womit er den
Domaintranfer üben wolle. Wir lehnten dies ausdrücklich ab.
Selbstkritisch muss ich hier hervorheben, dass ich es unterließ, ihn
aus der administrativen Funktion des Partisan.net abzulösen. Dies wäre
zum damaligen Zeitpunkt relativ einfach gewesen. Schließlich war und
bin ich derjenige, der das Partisan.net allein finanziert und die
Verträge hält. So blieb Günter Langer im Besitz der Zugangscodes für
die Registrierbehörde, während ich weiterhin die Zugangscodes zur
Domain verwaltete.

trend: Ich würde gerne noch mal auf die Zuspitzung der politischen
Widersprüche zwischen Günter Langer und dem Partisan.net zurückkommen.
Ich erinnere mich, dass sein „Kopftuchartikel“, den er uns zur
Veröffentlichung für die Novemberausgabe 2003 des trend gab, ein
äußerst problematischer, mit rassistischen Zuweisungen arbeitender
Artikel war.

KHS: Den veröffentlichte er auch zeitgleich in der Berliner
Lehrerzeitung, worauf dort in der LeserInnenschaft ein Sturm der
Entrüstung losbrach. Als ich ihn Anfang November wegen dieses Artikels
kritisierte, reagierte er aggressiv und drohte, wenn im Partisan.net
eine Kritik veröffentlicht würde, die seinen Artikel als rassistisch
bewerte, dann sei „das Tischtuch zerschnitten“. Von da ab denunzierte
er mich bei AutorInnen des trend als Islamist.

trend:  Mitte Dezember 2003 startete Günter Langer schließlich auf der
SDS-Seite diese reaktionäre Kampagne für eine rassistische
Sonderbehandlung von MigrantInnen – kurz Becklash-Kampagne.

KHS: Als ich im Januar 2004 davon erfuhr, ließ ich ihm ausrichten,
dass ich ihn dringend sprechen möchte, weil ich ihn auffordern wollte,
die Becklash-Kampagne nicht mehr länger über das Partisan.net
abzuwickeln. Schließlich gab es bereits in der linken
Netzöffentlichkeit erste – inhaltlich richtige Reaktionen. Als
Konsequenz daraus  wurden die linken Projekte des Partisan.net
aufgefordert, das Partisan.net zu verlassen. Das Gespräch mit mir
lehnte Günter Langer jedoch ab. Zur gleichen Zeit gab es bei Euch
Stellungnahmen, worin deutlich wurde, dass die „Becklasher“ gegen die
Grundsätze des Partisan.net verstießen. Ähnliche Stellungnahmen kamen
aus dem Antifa & AntiRa-Spektrum, so von der AGiP und der
Chipkarten-Ini.

trend: Und die wurden dann von Günter Langer abgemahnt.

KHS: Stimmt. Erst fälschte er zu Legitimationszwecken eine so genannte
Partisan.net-Plattform. Dann richtete er an die Adresse der
Antifaschistinnen  im Namen des Partisan.net eine Abmahnung, die er
mit i. A. Eric unterschrieb und auf seiner SDS-Website
veröffentlichte. Eric war früher sein Pseudonym für trend-Artikel.
Jetzt Teil seiner neuen Email-Adresse, eric@isioma.net. Darüber hinaus
verlangte er  - wie ein Dienstherr von seinen Beamten – von den
AntifaschistInnen ein schriftliches Bekenntnis zur so genannten FDGO
und eine Entschuldigung für ihre Kritik. Beides bei ihm abzuliefern.
Da war für mich der Rubikon überschritten.

trend: Das heißt, Du warst nicht länger bereit, den Webspace für seine
reaktionären Umtriebe zu finanzieren.

KHS: Genau. Es deutete nämlich vieles daraufhin, dass er das
Partisan.net zerstören wollte. Allerdings anders als Pribnow und Co.
es damals versucht hatten, also nicht von Außen, sondern von Innen.

trend: Diese Implosion ist ihm wohl gelungen.

KHS: Wenn Du so willst. Ja. Am 26. Februar 2004 schloss ich die
SDS-Website und löschte die Becklash-Kampagne. Ausschlaggebend war für
mich, dass Günter Langer über Monate gezielt daran gearbeitet hatte,
dass Partisan.net in linken Zusammenhängen zu diskreditieren und dass
er dafür vor allem bereit war, AntifaschistInnen als Faschisten zu
diffamieren und zu denunzieren. Ich hatte also die Wahl zuzusehen, wie
Günter Langer das Partisan.net inhaltlich zerstörte oder das Risiko
eines Crashs des Partisan.net auf mich  bzw. auf uns zu nehmen. Ich
muss allerdings einräumen, dass ich mit solcher Skrupellosigkeit bei
ihm nicht gerechnet hatte.

trend: Hier hast Du Dich gründlich geirrt.

KHS: Leider. Und es sollte ja noch schlimmer kommen. Nach der
Implosion des Partisan.net wurde bekannt, dass er noch vor dem
Anschlag an unserem Hostprovider eine Mail geschickt hatte, worin es
hieß, dass ich die Verbreitung „verfassungsfeindlicher und strafbarer
Inhalte“ durch das Partisan.net fördere. Damit wollte er erreichen,
dass der Provider die Verträge mit mir kündigt. Um das Ganze
glaubwürdiger zu machen, spiegelte er dem Empfänger vor, der Brief sei
auch von Bettina S. unterzeichnet. Die aber davon gar nichts wusste.

trend: D.h. Fälschung und Denunziation wurden auch gegen Dich
eingesetzt. Ist der völlig durchgeknallt?

KHS: Über Günter Langers Psychostruktur möchte ich mich nicht äußern,
das wäre Spekulation. Ich möchte lieber die Fakten sprechen lassen.
Günter Langer hat in der Auseinandersetzung um seine
Becklash-Kampagne, Positionen eingenommen und Handlungen begangen, in
kurzer Zeit Hass und Niedertracht entwickelt und einen Fanatismus an
den Tag gelegt, womit er sich selbst aus linken Zusammenhängen
ausgeschlossen hat. Die Denunziation des politischen Kontrahenten als
Verfassungsfeind, der angeblich strafbare Inhalte verbreitet, war
bisher in der BRD die Methode des Staatsapparates, seinen
KritikerInnen existenziell zu schaden (Berufsverbot) und sie mundtot
zumachen. Bei Langer heißt dies heute Internetverbot.  Mit einer an
Einfalt nicht zu unterbietenden Begründung bastelte sich Langer aus
seinen KritikerInnen Faschisten, von denen er - wie weiland Behörden,
Firmen und Gewerkschaften - ein schriftliches Bekenntnis zur
Verfassung abverlangte.

trend: Ich verstehe Dich so, dass Du Linke davor warnst, sich mit
Günter Langer politisch einzulassen.

KHS: Richtig. Seine antiautoritär lackierte Art Politik zu machen -
die Nummer des Haschrebellen und 68er-Anarchisten - täuschte über
vieles hinweg. So z.B. über das von seinem Mentor Rainer Langhans
übernommene Menschenbild. Ganz vordergründig vermittelte seine
Redegewandtheit den Eindruck des Vorhandenseins tieferer theoretischer
Einsichten. In Wirklichkeit erreichte er höchstens Spiegelniveau. Ich
selber habe mich in den letzten Jahren von ihm sozusagen an der Nase
herumführen lassen und dummerweise nicht auf Leute gehört, die mich
schon seit längerem vor ihm gewarnt haben.

trend: Als Bernd Rabehl 1998 seine rassistische Überfremdungstheorie
in die Welt setzte, reichte dies aus, um ihn aus linken Zusammenhängen
zu entfernen. Heute können Leute, wie Günter Langer, mit der gleichen
Argumentationsfigur die Ausweisung von MigrantInnen bzw. - so sie die
deutsche Staatsbürgerschaft haben - die zwangsweise Ausbürgerung
fordern und was passiert?

KHS: Die Junge Welt von diesem Wochenende springt helfend beiseite und
druckt den Becklash-Brief unkommentiert ab.

trend: Das ist bitter.

KHS: Zeigt aber nur, dass als Antwort auf die Verhunzung linker
Theorie durch antideutsche Propaganda nur noch wie ein Beißreflex die
Orientierung auf Staat und Nation entgegen gestellt werden kann.
Jedenfalls in Sachen Alltagspolitik. Und genau in diese Gemengelage
wurde die reaktionäre Becklash-Kampagne von unseren Sauberen Deutschen
Staatsbürgern (SDS) platziert. Becklash eine wortklingelnde Mixtur aus
gender mainstream und antideutschen Versatzstücken zur Rettung der
deutschen Leitkultur durch ein Mehr an HeRRschaft.

trend: Vielleicht zum Abschluss noch die Frage, die viele
interessiert. Immerhin hatten wir beim trend im Partisan.net-Verbund
allein monatlich mehr als 7.000 BesucherInnen. Wie geht´s weiter? Wird
es das Partisan.net wieder geben?

KHS: Zur Zeit versuche ich, auf einem außergerichtlichen Weg in den
Besitz der Zugangscodes zu gelangen, um die alten Nameserveradressen
wieder eintragen zu können. Sollte dies mir mit Ablauf der Woche nicht
gelingen, so werde ich leider gerichtliche Schritte einleiten müssen.
In dem Augenblick, wie die Partisan.net Domain wieder frei geschaltet
ist, können in wenigen Stunden wieder die Inhalte im Internet
verfügbar sein. Und der Mailserver arbeitet dann auch wieder.
Unbeschadet dessen sollten wir PartisanInnen diese bittere Erfahrung
nutzen, um gemeinsam darüber nachzudenken, was es heißt, sich im Netz
selbst zu organisieren und mitten aus so einer Struktur heraus wird
dann alles zerschlagen.



Editorische Anmerkungen

Das Interview wurde für den trend am 7.3. 2004 von Rolf Dieter
Missbach geführt.

Ledönk                          mailto:sebast@modukit.com

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