Krystian Woznicki on Tue, 14 Oct 2003 10:21:19 +0200 (CEST)


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computer/spiel/film
Vorträge und Filme zu Computerspiel und bewegtem Bild

21. und 22. November 2003

Ehemaliges Reserveteillager auf Phoenix West
Hochofenstraße / Ecke Rombergstraße, Dortmund-Hörde

Vorträge + Filme

Computerspiele lassen sich als eine hybride mediale Form beschreiben,
die Elemente zahlreicher anderer Zeichensysteme in sich aufgenommen hat
­ von der Architektur über Malerei und Literatur bis hin zum Film.
Zugleich prägen die Ästhetik und Logik von Computer Games ihrerseits
eine wachsende Anzahl anderer Medien. Einige dieser medienübergreifenden
Bezüge fokussiert das Vortrags- und Filmprogramm computer/spiel/film, in
dessen Rahmen Medien- und FilmwissenschaftlerInnen dem Verhältnis von
Computerspiel und bewegtem Bild nachgehen werden.

Film und Game scheinen voneinander zu "lernen", wenn einerseits Formen
des filmischen Erzählens für Computerspiele adaptiert werden und
andererseits digitale Effekte dem Film eine Räumlichkeit und Fluidität
verleihen, die in den 3D-Welten des Computerspiels ihren Ursprung haben.
Analogien und Differenzen zwischen Film und Game in bildästhetischer und
narrativer Hinsicht werden somit ein Fokus der Veranstaltung sein.

Neben dem Film im engeren Sinne werden auch andere Formen des bewegten
Bildes im Licht des Computerspiels diskutiert. Hierzu zählen
Simulations- und Visualisierungstechnologien in Militär und Forschung
ebenso wie die massenmediale Auseinandersetzung mit Kriegsgeschehen, bei
der nicht selten die modellhaft verdichtete Oberflächenästhetik des
Computerspiels und spielerisch vereinfachende Dichotomien wie
Freund-Feind oder Held-Antiheld zitiert werden.

Weitere Beiträge gehen filmischen Konstruktionen des Hackers/Gamers als
männlichem Rollenmodell nach und fragen aus soziologischer Perspektive
nach den Folgen der "Abwanderung" des Computerspiels aus dem
öffentlichen in den privaten Raum.

Neben dem Kultfilm "Tron" (Steven Lisberger, 1982) werden zwei
Kurzfilmprogramme mit Videoarbeiten der letzten sieben Jahre
präsentiert, die mit der Logik und Ästhetik von Computer Games spielen ­
sei es dass sie alternative filmische Narrationen zu existierenden
Spielszenarien entwerfen, virtuelle Spielfelder in den realen Raum
übertragen oder sich in einem weiteren Sinne mit der Verstrickung von
Game-Ästhetik, Simulation und Realbild befassen.

Der Kurzfilm Do you have the shine? (Johan Thurfjell) etwa gehört zu den
Arbeiten, die explizit auf eine Spielfilmvorlage, in diesem Fall Stanley
Kubricks "Shining", referiert. Das Video nutzt diese Schablone, um eine
Form von Interaktivität vorzuspiegeln, wie sie der Film gerade nicht
bietet. Arbeiten wie She Puppet (Peggy Ahwesh) oder Sheik Attack (Eddo
Stern) zitieren Versatzstücke aus existierenden Computerspielen wie
"Tomb Raider" oder "SimCity" und komponieren sie zu einer neuen
filmischen Narration, die die Logik der Spielvorlagen durchbricht.

Figuren und Spielverläufe werden in neue, dezidiert politische
Zusammenhänge versetzt und gemäß deren Logik neu bewertet. Paul Bush
kompiliert schließlich in The Rumour of True Things Bildmaterial aus
Flugsimulatoren, Aufnahmen, die im Rahmen wissenschaftlicher Experimente
entstanden sind, Überwachungsvideos und Computerspielsequenzen und führt
durch ihre direkte Konfrontation die Verstrickung von Game-Ästhetik,
Simulation und Realbild vor Augen.


Programm

Freitag, 21. November
Samstag, 22. November


Freitag, 21. November


18:30  Einführung


19:00


Karin Bruns-Vortrag:

Alice im Wunschmaschinen-Land

Computer-Games zwischen Filmadaption und künstlerischer Subversion
Der Vortrag diskutiert das Computerspiel als hybrides Medium, in dessen
Bildästhetik auch Elemente filmischer Formensprache (wie
Einstellungstypen, Schnitttechniken etc.) Niederschlag gefunden haben.
Im zweiten Teil werden künstlerische Positionen der Ausstellung
aufgegriffen, die modifizierend in die Ästhetik und Funktionsweise von
Computer-Games eingreifen.


20:30


Serjoscha Wiemer-Vortrag:

"Fütter mein Ego?"- Visualität und Perspektive in Computerspielen
Serjoscha Wiemer zeichnet in seinem Beitrag die Entstehung einer für
Game und Film je spezifischen Bildästhetik nach. Die Zentralperspektive
als Raummodell und Weltsicht hat sowohl die Bildlichkeit
dreidimensionaler Spielszenarien wie auch die des filmischen Bildes
maßgeblich geprägt. Dennoch lassen sich für beide Formen der
Verräumlichung unterschiedliche Entwicklungslinien aufzeigen, die sich
an je spezifischen Wahrnehmungseffekten orientieren.


22:00   Filmprogramm 1


Tron, Steven Lisberger USA/Taiwan 1982, 96 min, 35mm

Ein Programmierer hackt das Computernetzwerk eines Medienimperiums, um
dessen illegale Machenschaften aufzudecken. Dabei wird er in das Innere
des Systems „entführt“ und von rebellierender Software in Duelle und
Verfolgungsjagden verwickelt, deren Darstellung die Ästhetik aktueller
Computerspiele vorwegnimmt.


Samstag, 22. November


11:00


Führung  durch die Ausstellung
games. Computerspiele von KünstlerInnen


13:00


Andreas Lange-Vortrag:

Homegames - Wie die Computerspiele unsere Wohnzimmer eroberten
Computerspiele wurden in Universitäten geboren und sind in Spielhallen
groß geworden. Doch bereits Anfang der 70er Jahre begannen sie, es sich
auch in unseren Wohnzimmern bequem zu machen. Wie geschah dieser Wandel
und welche Bedeutung hatte er für die Spiele und ihre Wahrnehmung?


14:30   Filmprogramm 2


Do you have the shine? Johan Thurfjell, S/F 2003, 5'10'', Video

Eine computeranimierte Umsetzung von Kubricks "Shining", die sich als
interaktive Spieloberfläche ausgibt. Die lineare Gerichtetheit des Films
wird gegen die scheinbare Option individueller Steuerung der
Handlungsabläufe ausgespielt.


Le foto dello scandalo, D.Lunghini/D.Zuelli, IT 2000, 6'20'', Video

Ein 3D-animierter Gangsterfilm, der um den Tathergang eines Verbrechens
kreist. Die Chronologie der Ereignisse entfaltet sich dabei nicht über
die Handlungen der Figuren, die zu dreidimensionalen "Stills" erstarrt
sind, sondern über die Bewegungen einer imaginären "Kamera".


Heroes,Oliver Pietsch, D 2001, 8'30'', Video

Oliver Pietsch "simuliert" ein Ego-Shooter-Game im realen Raum und
schließt zugleich dramaturgisch an das Genre des Actionfilms an.


Ping Pong, Sebastian Kaltmeyer, D 1999, 5'15'', Video

Die hypnotische Bewegung eines Ping Pong-Balls bestimmt den Rhythmus
dieses Musikvideos, das uns in eine phantastische 3D-Welt entführt.


Sheik Attack 1966-1999, Eddo Stern ISR 2000, 16', Video

Das Video entwickelt aus Computerspiel-Sequenzen und israelischen
Popsongs eine filmische Narration, die die israelische Geschichte als
eine Aufeinanderfolge der Okkupationen und kriegerischen
Auseinandersetzungen nachspielt.


Exit, Magnus Wallin, S 1998, 3'3'', Video

Avatare mit unterschiedlichen Körperbehinderungen flüchten einen
Korridor entlang vor einer herannahenden Feuerwand. Wird einer von ihnen
vom Feuer erfasst, wird dies mit Jubel und Applaus von einem
unsichtbaren Publikum quittiert. Eine makabre Zuspitzung der binären
Logik des Gewinnens/Verlierens.


16:00  Francis Hunger-Vortrag

WarGames ­ Hacker spielen

Francis Hunger wendet sich in seiner Auseinandersetzung mit WarGames
(John Badham, 1983) der Frage zu, inwiefern dieser Film, der die Figur
des Hackers/Gamers erstmals erfolgreich ins Mainstreamkino einführte,
noch bis heute unsere Wahrnehmung von Computerspielen und ihren
UserInnen prägt. In besonderem Maße wirft der Film auch die Frage nach
Genderstereotypen in Verbindung mit digitalen Medien auf.


17:30  Krystian Woznicki-Vortrag

Sim Cinema wants you

Das Computerspiel importiert Codes aus allen erdenklichen Bereichen, es
exportiert aber auch unermüdlich: seine Logik und Ästhetik finden sich
zusehends im Hollywood-Film wieder, aber auch in der
Medienberichterstattung ­ vor allem von Kriegen. Schauspieler und
Soldaten (die immer mehr zu Schauspielern werden), erscheinen vor diesem
Hintergrund als Figuren eines Computerspiels. Ihre Images und Berufe
sind damit einem vielschichtigen Wandel unterzogen, dem Krystian
Woznicki in seinem Vortrag nachspürt.


19:00    A B E N D E S S E N


20:00  Joan Leandre-Präsentation (englisch)

Babylon Archives. Documents from the darkest side of the Empire. A media
archeology project 1999 : 2003


21:30   Filmprogramm 3


She Puppet, Peggy Ahwesh, USA 2001, 15', Video

In ihrer Collage von Spielsequenzen aus Tomb Raider, die wie found
footage behandelt und mit Voiceovers unterlegt wurden, erzeugt Peggy
Ahwesh einen existentialistisch anmutenden Subtext zur popkulturell
vereinnahmten Spiel-Ikone Lara Croft.


The Rumour of True Things, Paul Bush, UK 1996, 25', Video

Paul Bushs Arbeit versammelt bewegte Bilder aus Wissenschaft, Militär,
Überwachungssystemen, Flugsimulatoren und elektronischen Spielen und
führt durch ihre direkte Gegenüberstellung die Verstrickung von
Game-Ästhetik, Simulation und Realbild und damit letztlich den prekären
Status unserer "Wirklichkeit" vor Augen.


Romance (Green), Seth Price, USA 2003, 30', Video

Eines der ersten Text Adventure-Spiele, das sich in den 70er- und 80er
Jahren großer Popularität erfreute, wird hier zum Stoff einer filmischen
Narration. Im Dialog zwischen SpielerIn und Computer entfaltet sich in
unkalkulierbaren Schleifen eine Erzählung, die zugleich imaginärer
Text-Raum ist.

http://www.hartware-projekte.de/programm/inhalt/games_file/filme/csf.htm 

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