Susanne Schmidt on Thu, 28 Aug 2003 09:29:50 +0200 (CEST)


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Re: [rohrpost] Niedergang von Telepolis


Moin,

> investigativen medienkritischen Einsatz da viel zu dramatisch -, sondern
> wahrscheinlich schlicht und ergreifend praktische Erwägungen: kürzere
> "leichte" Texte sind schneller zu redigieren, selbst zu verfertigen,

Das mag ja sein, nur brauche ich kurze Texte nicht mehr lesen, weil es
meistens in etwa das ist, was ich selbst sowieso schon weiss und mich die
Meinung eines Dreiviertel-Seiten-Textes nur sehr eingeschränkt interessiert.
Für diese Kurztexte kann ich alle möglichen Medien lesen - mir fehlen
ausführliche, fundierte Informationen, die aber keine haarkleinen
Wissenschaftsaufsätze sind, die sich mit entsprechender Diktion mit einer
miniminimini-Nischenaspektfrage auseinandersetzen. Deswegen fand ich Telepolis
ja so klasse, weil es aktuell war UND ausführlich. Eine knappe DIN A 4 Seite
über - wie heute "Juckreiz" ist .. äh. Überwältigend. Das sind Momente, wo ich
froh bin, dafür nichts bezahlen zu müssen. Oder der letzte längere Artikel
über Geeks und Asperger, der im Grunde bloss abgekupfert hat, was doppelt so
lang in Wired (?) incl. des lustigen Tests stand. 

> Bundesrepublik (kritisch) vorzustellen. Es war Platz für die legendären
> specials zu "artificial life" und Moravec-Texte u.v.m.,aber auch für die
> Netzkritik von Lovink. Bis heute werden verschiedene Textsorten parallel
> veröffentlicht, die meiner Meinung nach in dieser "Koexistenz" in keinem
> anderen "offiziellen" Medium denkbar sind. Als eingeführte "Marke" mit
> relativ hoher Verbreitung und Akzeptanz, wenn man sich die Zugriffsdaten
> bei Heise online anschaut, bleibt das Magazin eine potenzielle Plattform
> für den kritischen Diskurs über Netz-Kultur - man sollte TP nutzen, so
> lange es noch existiert!

Da existiert eben fast nichts mehr. Es gab mal Telepolis-Artikel, die mich so
begeistert haben, dass ich alles andere vom entsprechenden Autor gelesen habe.
Es gab mal Artikel, die so inspirirend waren, dass ich dachte "Mensch, sowas
will ich auch machen". Es gab Artikel, deren Inhalt und Autor werde ich nie
vergessen, die haben mir so gut gefallen, dass ich gezielt Artikel dieses
Autors bevorzuge. Es gab Artikel, bei denen ich aktuelle Gedanken präzise zu
äh.. Papier gebracht fand. Und DESWEGEN lese ich - und nicht, weil ich kleine,
niedliche Newshäppchen gereicht bekommen möchte. Und "Technology Review" ist
nun so gar nicht die Alternative, die ich mir vorstelle, in der es natürlich die
Naturwissenschaften sind, die die Welt voran bringen. Hurra! Gut, dass wir
grad 100sten Geburtstag von Adorno haben, da können wir dann - bitte nur in
5 Zeilen - die passenden Zitate rauskramen und in der Versenkung verschwinden. 

Ich habe lange darüber nachgedacht, was ich eigentlich für eine Zeitung suche
und bin zu einer Art alte Telepolis mit ordentlichem Politikteil ala Le Monde
Diplomatique, aber mehr Technik und mit viel Informationen über Intellektuelle
und Denkrichtungen in anderen Ländern, fundierten Artikel über Ökonomie und
einer ordentlichen Gegenrichtung zu aktuellen Debatten. Das ganze bitte
mehrsprachig und umfangreich als Wochenmagazin, erstklassig geschrieben (also
bitte nicht Kulturteilonanie auf Papier) und Ja, dafür würde ich zahlen.
Ziemlich viel sogar. Das wär' herrlich. Samstag morgen liegt das vor meiner
Tür. Danke! :)

Grüsse, Susanne

-- 
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