Florian Cramer on Sun, 20 Jul 2003 21:44:37 +0200 (CEST) |
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Re: [rohrpost] Re: def. medien und medienwissenschaft (florian cramer) |
Am Mittwoch, 16. Juli 2003 um 14:01:51 Uhr (+0200) schrieb Martin Lindner: > deine kritik beruht, wie mir scheint, auf einem von dir aufgebauten, allzu > schlichten gegensatz zwischen verschwurbelter geisteswissenschaft auf der einen > seite ("geschichtsmetaphysik", unexaktes hermeneutisches auslegen von letztlich > beliebigen "konnotationen") und exakter, no-nonsensehafter IT-theorie, die sich > letztlich am guten alten telegrafischen kommunikationsmodell von shannon/weaver > orientiert. Ich würde es anders formulieren: Das Konzept der Medienwissenschaft mit dem telegraphischen Kommunikationsmodell schon durch den Wortsinn des "Mediums" untrennbar verbunden, und es ist nicht mehr zeitgemäß, weil dieses Modell z.B. algorithmisch gesteuerte Informationstechnik nicht adäquat beschreibt. Das Problem ist also der Terminus "Medium" bzw. "Medien", dessen Wortsinn schlicht nicht trägt, was er mittlerweile beschreiben soll. Was heute "Medienwissenschaft" heißt, ist de facto eine Wissenschaft technisch (1) generierter, (2) übermittelter und (3) prozessierter/interpretierter Zeichen und müßte deshalb adäquat "technische Semiotik" heißen. Ich halte diese Begriffsdifferenz deshalb für nicht trivial oder bloß scholastisch, weil sie bedeuten würde, daß man sich anderer Theorien und Methoden bedienen, man z.B. an Peirce und Saussure statt an Kracauer und McLuhan anküpfen müßte. (Noch Manovich ist in dieser Sichtweise gefangen, wenn Computersoftware aus der Perspektive der Filmtheorie untersucht; was nur deshalb [zirkulär und deshalb unkritisch] funktioniert, weil der Erfinder des graphischen Benutzerinterface, Alan Kay, selbst McLuhanianer war und Computer als Medien verstand.) Wie Du treffend anmerkst, ist der Begriff "Medien" Teil einer bestimmten Wissenschafts- und Kulturgeschichte, die man auch mit Terminologiekritik nicht wegdiskutieren kann. Nur ist das Problem, daß genau eben diese Denktradition mit ihren falschen bzw. unzureichenden Methoden noch nicht historisch geworden, sondern sehr real präsent ist und in dieser Präsenz den Blick z.B. auf Computernetzkulturen verstellt (weil sie eben den Netzcomputer partout nur als "Medien" in der Tradition McLuhanscher Massenmedien lesen kann und will). Bevor man also, wie Du es vorschlägst, "Medienwissenschaft" als kulturhistorische Untersuchung der Rede von "den Medien" betreibt, muß man erst einmal das tote Holz und die Mißverständnisse abräumen, die sich mit den Begriffen "Medien" und "Medienwissenschaften" verbinden. > ansonsten weise ich den vorwurf der zirkularität zurück: alle angekreideten > sätze enthalten eine nicht-triviale zuspitzung des medienbegriffs. und "was ich > genau als medien definiere", hatte ich doch gehofft, gegen ende gesagt zu haben. > noch mal stark verkürzt: ein eigendynamisches (rekursives, autopoietisches ...) > system im zeichenzirkulationsprozess mit (1) einer technischen, (2) einer > semantischen und einer (3) sozial-systemischen dimension. man muss das übrigens > dann nicht unbedingt "medien" nennen, aber ich finde das aus mehreren gründen > sinnvoll. Hierin liegt, scheint es mir, unsere einzige echte Differenz. Ich würde gerne ohne diesen Begriff auskommen bzw. ihn erheblich spezieller definieren und deshalb vorsichtiger verwenden. > du vertrittst, wenn ich das recht verstehe, die reduktionistische position, dass > medienwissenschaft eigentlich kanalwissenschaft bzw. codewissenschaft im sinn > der komplexeren IT-entwicklungen der letzten jahre sein sollte. Nein umgekehrt: Die Medienwissenschaft sollte sich mit dem, was sie beschäftigt, nicht mehr "Medienwissenschaft" nennen. In den 1950er-70er Jahren gab es in Gestalt der Semiotik, Kybernetik, Informationswissenschaft und der "Informationsästhetik" (ein Begriff Max Benses) bereits tragfähige und präzise Konzepte, die offenbar nur wegen ihrer damaligen ideologischen Affinität zu einem positivistischen Technizismus über Bord geworfen wurden, oder auch nur, weil es einfach hipper war, von "Medien" zu reden. -F -- http://userpage.fu-berlin.de/~cantsin/homepage/ http://www.complit.fu-berlin.de/institut/lehrpersonal/cramer.html GnuPG/PGP public key ID 3200C7BA, finger cantsin@mail.zedat.fu-berlin.de
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