Jörg Leupold on Tue, 4 Mar 2003 10:55:06 +0100 (CET)


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[rohrpost] theweleit vs. Kittler?


im vergleich zu der position kittlers gefällt mir die theweleits besser.

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grüsse
joerg



„Sterben mit der Schönheit im Hirn“


Der Philosoph Klaus Theweleit über die zwiespältigen Anti-Bush-Interventionen von Künstlern und Intellektuellen, über Glamour, Tod und Denksplitter, über Jayne Mansfields Wahrheiten und Gerhard Schröders Lügen.

profil: Kunst, Künstler und Intellektuelle nehmen sich des Themas Krieg dieser Tage an wie selten zuvor: Sie erklären, warnen, demonstrieren – und stellen sich dabei selbst dar. Hat der Krieg in der Kunst seinen vernünftigen Ort?
Theweleit: In der Kunst hat die Katastrophe in der Tat einen guten Ort. Das ist ein Schritt über die immer wieder gern ins Spiel gebrachte Fantasie hinaus, nach der Krieg führende Staatsmänner sich doch mit Colts bewaffnet in die Arena stellen sollen, um ihre Konflikte dort aneinander auszutragen. Das ist die eher kindliche Version, während das Kino ja die Möglichkeit hat, Weltuntergänge, Weltneuanfänge, alles das im Katastrophischen, im Kriegerischen akut durchzuspielen, aber ohne jemandem ein Haar zu krümmen. In den Augen, in den Hirnen, im Bewusstsein der Leute hinterlässt gerade das tiefe Spuren: Der Krieg kann dort intensiv erlebt werden. Tatsächlich von einer Bombe zerrissen zu werden, das ist kein großes Erlebnis mehr, sondern ein Ende. Dieser Komplex des Aggressiven, des Neuaufbaus durch Zerstörung, ist ja nicht wegzuleugnen aus den menschlichen Handlungen. Es gibt ihn auch als zivilen Vorgang, außerhalb von Kriegen. Daher ist der richtige Ort der Katastrophen die Kunst – und eben nicht die Welt draußen. Die von Menschen gemachten und inszenierten Kriege sind eine Perversion, ein Missbrauch der Idee der Erneuerung durch Zerstörung oder des produktiv Aggressiven, übersetzt in falsche handfeste Realitäten.

profil: Hatte die Kunst je die Gewalt, tatsächlich einzugreifen? Gibt es einen inneren Zusammenhang zwischen weltpolitischen Verläufen und künstlerischer Bearbeitung? 
Theweleit: Diesen Zusammenhang gibt’s leider nicht. Die Kunst hat zwar unter anderem die Funktion einer vernünftigen Bearbeitung von vorliegenden zerstörerischen Impulsen. Sie kann das beim Einzelnen leisten; aber die großen kathartischen Effekte, die man sich einmal von ihr erwartete, kann sie nicht gewährleisten. Bevölkerungen, Nationen oder Interessengruppen, die sich ja sowieso nicht nach Gefühlen verhalten, sondern nach Kalkulationen, werden von dem, was in der Kunst abläuft, denke ich, überhaupt nicht beeinflusst. Abgesehen davon kann man von der Kunst an sich ja eigentlich nicht mehr sprechen, weil all diese Bereiche – Politik, Kunst, Pop, Öffentlichkeit, Publicity – nicht mehr voneinander zu trennen sind. Das bildet inzwischen ein einziges Konglomerat, das seinen Kondensationspunkt im Fernsehen hat. 

profil: Politisches Engagement prominenter Kriegsgegner bedeutet ganz zwangsläufig auch: Selbstpromotion. Und sind das nicht bisweilen falsche Gruppen, die sich da bilden? 
Theweleit: Ich glaube, es ist entscheidend, von der Interessenverbindung der Medien und jener Leute, die sich da äußern wollen oder auch äußern sollen, auszugehen. Meist wird man ja, wenn man sich zu einem Krieg äußern soll, dazu gefragt: von einer Zeitung oder einem Fernsehsender. Man kann dann entscheiden, ob man sich äußern will. Im Fall von Schauspielern oder Popstars entscheiden das oft andere – nämlich die Agenten. Das ist wie in „The Girl Can’t Help It“, einer Komödie aus den fünfziger Jahren, wo Jayne Mansfield als Hollywoodstar alle Fragen einfach mit „Ask my agent“ beantwortet. Richard Gere oder Dustin Hoffman werden sich nun auch nicht äußern, ohne vorher mit ihren Agenten gesprochen zu haben. Die sondieren erst mal die Lage: Wie passt eine solche Äußerung ins Bild des Stars? Wie passt das in unsere Publicity oder zum Film, der grade läuft? Wer äußert sich noch? In welche Gruppe kommt man rein? Wie laufen diesbezüglich die Meinungsumfragen? Wenn man nur ein paar Jahre zurückdenkt an die Bombardierung Jugoslawiens, relativiert sich die „Authentizität“ solcher Aussagen sowieso. Man kann jetzt beispielsweise sagen, wenn nicht Bush da wäre, sondern immer noch Clinton, bei dessen Inauguration ja die ganze Künstlerblase zugegen war und Beifall geklatscht hat, so gäbe es den Widerstand gegen den Angriffsbefehl auf Saddam möglicherweise in der Form gar nicht. 

profil: Ihrer Ansicht nach hat öffentliche Kriegsgegnerschaft gar keine politische Bedeutung? 
Theweleit: Sie kann eine Bedeutung haben für den politischen Moment. Im Augenblick sieht es so aus, als ob Bush seine Prokriegshaltung in einer Weise darstellt, die ausdrücklich an alte Formen gebunden ist: an Western-Gesten etwa wie die smoking colts, an eine Bildlichkeit, die für Menschen, die sich als democrats empfinden, oder für anspruchsvollere Schauspieler und Intellektuelle schlicht aus der Welt ist. Popstars aber sind angewiesen auf moderneres Styling, ob sie nun für oder gegen den Krieg sind. Das offenbart die Möglichkeit, sich darzustellen als eine Front, die sagt: Derart affenmäßig, wie Bush das durchzieht, wollen wir das nicht. Das können wir, als First-Class-Hollywoodschauspieler oder Nobelpreisträger, sozusagen ästhetisch nicht auf uns sitzen lassen. Das ist ein reeller Punkt – und da kommt der agent wieder ins Spiel –, weil diese Art der Bush-Opposition einer wachsenden Bevölkerungsmehrheit zu entsprechen scheint. Ein schönes Transparent auf der Antikriegsdemo in New York, vorletztes Wochenende, hat dem Präsidenten sinngemäß Folgendes in den Mund gelegt: „Was kümmert mich die Meinung des amerikanischen Volkes, es hat mich nicht gewählt.“ Diese Stimmung scheint derzeit zu gewinnen – und das ist der Moment, in dem sich Stars und auch Nobelpreisträger einklinken können. 

profil: Welcher Mehrheit sich Künstler im Krisenfall anschließen, steht dennoch nicht immer fest, oder?
Theweleit: Nein, etwa der Nobelpreisträger Grass konnte sich bei der Jugoslawien-Bombardierung nach nächtelangem Ringen bekanntlich zu einem Ja entschließen und diese illegale, ohne die UNO durchgeführte Nato-Aktion für notwendig und rechtens erklären. Mal spricht man also für den Krieg, ein paar Jahre später spricht man gegen den Krieg: Als irgendwie fundierten Eingriff der Kunst in die Politik kann man das nicht nehmen. Künstler und Intellektuelle sind durchweg Anhängsel solcher Meinungsverschübe im Öffentlichen, von denen sie sich etwas versprechen. Und da kommen die Redakteure dann ins Spiel, die Zeitungen und das Fernsehen. Dann spielen die Künstler wirklich eine Rolle: Wenn Harold Pinter in London sagt, die Bush-Familie sei eine Verbrecherbande und Amerika werde von Kriminellen regiert, so kann das der einzelne Redakteur in der Zeitung nicht drucken, sonst fliegt er im Zweifelsfall raus. Aber wenn Pinter oder Grass das sagen oder wenn ich das behaupte, dann kann er das drucken. 

profil: So wird das Politische zu einem selbstreflexiven Spiel, in dem sich die Zusammenarbeit zwischen Kunst, Medien und Politik oft auf Image- und Geschmacksfragen reduziert …
Theweleit: … wo aber auch eine Einigung da ist, die sich im Fernsehen zentriert. Gesellschaftlich diskutiert werden nur die Dinge, die im Fernsehen sind. Nur was im Fernsehen erscheint, erreicht diese Realitätsebene. Alles andere wird nur in informellen Gruppen verhandelt, in Vereinen oder Teilen von Gesellschaften. Im Fernsehen laufen die Interessen der Intellektuellen, der Künstler, der Politiker und der Redakteure zusammen. So unterstreichen alle, auch wenn sie gegensätzlicher Meinung sind, ihre gesellschaftliche Existenzberechtigung. Ihr Realitätsnachweis passiert im Fernsehen. Und so furchtbar das ist: Das kriegen wir nicht mehr weg. 

profil: Gibt es authentisches politisches Engagement in der Kunst überhaupt noch? Oder kann es, wenn es existiert, einfach nicht mehr erkannt werden, weil die Landschaft, in der es sich formiert, nicht mehr überblickbar ist?
Theweleit: Ich glaube, es gibt so ein Engagement, aber das ist nicht entscheidend dafür, ob sich die Medien darum kümmern. Ich habe zum Beispiel kein besonderes Bedürfnis, mich gegen diesen Krieg zu äußern, weil ich das ohnehin immer tue: Ich brauche weder diesen Moment noch einen anderen, um zu sagen, dass kriegerische Auseinandersetzungen keine Form sind, Konflikte zwischen Gesellschaften zu lösen. Auf diesem heutigen Stand der Kommunikation, der Technologien und der Kontrollmöglichkeiten braucht man die Form Krieg nicht. Gegen den Krieg zu sein, das gilt für mich jeden Tag, das muss ich nicht extra erklären, deshalb muss ich auch nicht alle halben Jahre eine neue Liste unterschreiben. Aber andere Leute müssen das, weil sie sonst in diesem Bereich gar nicht vorkämen, und wenn das dann im Fernsehen auftaucht, ist in der Tat fast nicht mehr zu klären, aus welcher Ecke das nun kommt. 

profil: Denken Sie, es gibt überhaupt so etwas wie eine moralische Verantwortung von Künstlern oder Philosophen?
Theweleit: Die gibt es meiner Meinung nach nicht. Für mich ist das zwar eine Selbstverständlichkeit, dass man sich um solche Themen kümmert, aber das ist Teil meines Arbeitsprozesses. Es rührt nicht daher, dass ich mich nun verpflichtet fühlen würde, moralisch für oder gegen etwas Stellung zu nehmen, sondern es entsteht aus meiner Produktionsweise. Wenn ich mit Leuten zusammenarbeite, die für mich etwas bedeuten, wenn Gruppen und Beziehungen etwas bedeuten, so sind das alles Arbeitsformen, die gegen das Kriegerische überhaupt gerichtet sind. Und zwar auch gegen das Kriegerische in den eigenen Beziehungen, in den Freundschaften. Ich lehne Kriege ab, weil sie für mich eine widerliche Produktionsform sind, eine Form, Realität herzustellen. Wer sagt, dieser Scheißkrieg interessiert mich nicht, ich habe Besseres zu tun, soll von mir aus dies Bessere tun.

profil: Wo immer sich Pop in den Krieg einmischt – ob nun Marlene Dietrich Frontbesuche absolviert oder Madonna in einem Videoclip vom Laufsteg aus Handgranaten ins Publikum werfen lässt –, entsteht eine eigenartige Melange: Begehren und Gewalt kommen da zusammen, Glamour und Tod. Was passiert da? 
Theweleit: Pop hat, jedenfalls bei bestimmten Bevölkerungsteilen der Welt, inzwischen die Religionen ersetzt. So tritt Glamour an die Stelle des Glaubens. Man stirbt dann im Angesicht des Models, mit der Schönheit im Hirn, das wurde schon für den Ersten Weltkrieg so beschrieben: Friedrich Kittler hat betont, dass die Soldaten den Grabenkrieg nur deshalb ausgehalten haben, weil sie sich Filmstars wie Henny Porten, die sie im Frontkino gesehen hatten, über sich in den Himmel hängen konnten. Und an die Türen der Unterstände. Seitdem existiert diese Seite des Pop. Das kann man ihm nicht vorwerfen, weil Pop in der Regel nicht das Morden und den Krieg organisiert, sondern dafür funktionalisiert wird. Wobei es große Unterschiede gibt: Wenn Marlene Dietrich ihre Fronttourneen machte, dann hatte das schon auch die Funktion, sich als eine Deutsche zu zeigen, die vor Hitler weggelaufen war. Das war eine politische Kundgebung, ein Akt, der über das Vorführen ihrer Beine und ihre Auftritte hinausging. Da mischen sich das so genannte Authentische und die Show. Das ist nicht immer so: Andere Stars freuen sich, wenn sie eingeladen werden, weil das einen Karriereschub bedeutet. Den hatte Marlene Dietrich nicht nötig. 

profil: Jeder zweite US-Star, der sich von Bushs Aggressionspolitik distanziert, klärt das Feld immer erst mit dem Bekenntnis, dennoch stolz darauf zu sein, Amerikaner zu sein. Wie beurteilen Sie das?
Theweleit: In unseren Breiten lautet der entsprechende Satz: Ich bin kein Antiamerikaner. Obwohl das niemand erst sagen müsste. Wir sind alle bis zu einem gewissen Grad „Amerikaner“. Sodass manche Leute inzwischen zu Recht behaupten können, den Rücktritt von Bush zu fordern, sei ein proamerikanischer Akt. 

profil: Dabei klingt die Betonung des Patriotismus stets ganz hohl: ähnlich wie der Satz „Ich bin eigentlich kein Rassist“, den ja nur ein Rassist aussprechen kann. Die Lüge wird da hörbar.
Theweleit: Zu diesen Äußerungen gehört, dass sie genau vorgeschriebenen Formen folgen. Wenn man da nur ein bisschen abweicht, würde man entweder weggelassen werden oder verdächtig, doch einer anderen Gruppe zugehörig zu sein. Aha, heißt es dann, wenn die Form nicht stimmt: Der ist also doch Terroristenfreund oder doch Kommunist oder doch Antiamerikaner. Im Grunde wird die Form, in der man sich äußern darf, auch von den Medien diktiert. Zum Einsatz kommen immer nur jene zwei oder drei Argumente, mit denen man Fronten machen kann. Alle medialen Auseinandersetzungen laufen ja immer über eine Frontstellung ab: Die Kontrahenten werden in Listen aufgeteilt. Das heißt, es geht weder um Denken noch um Engagement, sondern um Gewichtungen: darum, bestimmte Einflüsse und Gruppierungen zu Konglomeraten zusammenzufassen, um sie möglichst gewichtig und wirkungsvoll werden zu lassen. 

profil: Die Art, wie die Äußerungen von Stars zum Krieg nun immer wieder auftauchen, wie man von ihnen in den Medien nur noch Zitatfetzen, Denksplitter zu lesen und zu hören kriegt, trägt zu einer Verflachung des Diskurses bei – und zwar ungeachtet der Intelligenz der Befragten. Alle Argumente führen in der Verkürzung letztlich ins Nichts.
Theweleit: Aber sie führen auch zu einem bestimmten Gewicht. Hans Magnus Enzensberger etwa hat vor ein paar Jahren öffentlich behauptet, Saddam Hussein sei ein Wiedergänger Hitlers. Für diesen Satz ist er zu Recht angegriffen worden, weil er sich, wenn man ihn im Einzelnen diskutiert, auf allen möglichen Ebenen nicht halten lässt. Aber halten lässt er sich auf der Ebene des Gewichtmachens. Er wurde ja nur zitiert, weil Enzensberger in dem Moment zu einem Popstar wurde. Hätte jemand, den keiner kennt, diesen Satz gesagt, er wäre nicht der Rede wert gewesen. Aber weil Enzensberger sein intellektuelles Gewicht, erworben durch jahrzehntelange Arbeit, an einen einzigen solchen Satz in einem „Spiegel“-Artikel hängt, gewinnt er sofort die Gewichtsform des Popstars – und der Satz ist ja bis heute nicht vergessen, er wird immer wieder zitiert, in allen möglichen Zusammenhängen. Das heißt, der Satz hatte wohl die Wirkung, die er haben sollte; aber intellektuell ist das null. 

profil: Und es ist nicht ungefährlich für den Künstler. Schränkt das rückblickend nicht auch alles ein, was er davor geleistet hat?
Theweleit: Für die Stimme des Künstlers ist das schädlich; für seinen Zugewinn als Popstar ist das nützlich.

profil: Die medialen Zuspitzungen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten intensiviert. Gleicht die friedensbewegte Kunst der sechziger und siebziger Jahre in ihrer Ambivalenz der Zeichen – etwa in den durchaus „kriegerischen“ Arrangements von Rockkonzerten oder Filmen – nicht dennoch auch der heutigen? 
Theweleit: Die Friedensbewegung selbst hat sich heute verlagert. Ich glaube, sie ist bisher auf der medialen Ebene noch kaum wahrgenommen worden. Erst in den letzten zwei, drei Monaten bekommt sie ihre Fernsehexistenz. An so vielen verschiedenen Stellen der westlichen Welt regen sich Widerstände nicht nur gegen die Bombardierung des Irak, sondern auch gegen die so genannte Globalisierung an sich: Soll man sich mit einer Welt abfinden, in der Amerika als einzige Supermacht übrig geblieben ist? Die nur genug Druck ausüben muss, um all ihre Interessen durchzusetzen? Diese Form der Gewalt ist kein Bombenkrieg, aber ein Krieg, der die Welt mit einer bestimmten Ökonomie und einem Meinungsdiktat überzieht. 

profil: Das vermittelte Bild hat sich außerdem umgedreht: Früher gab es eine Friedensbewegung, an deren Spitze Künstler punktuell fungierten; heute scheint es nur noch eine Menge engagierter Künstler zu geben, hinter der die Millionenschaft der Kriegs- und Globalisierungsgegner zu verschwinden droht. 
Theweleit: Die übrigens auch die Politiker gar nicht mehr dabeihaben will. Die Grünen etwa lassen sich bei Attac nicht sehen, weil sie genau wissen, sie sind dort unerwünscht. Joschka Fischer kann sich nicht mehr hinstellen und so tun, als könne er die dort vertretenen Anliegen und die Leute selbst mit ein paar flotten Friedenssprüchen für sich vereinnahmen. Das wird nicht mehr abgenommen. Der Sündenfall der Politiker war die Bombardierung Jugoslawiens. Das war ja nicht Bush, der die UNO ausgehebelt hat, das waren die Europäer und Clinton. Europa hat nun eine Kehrtwendung gemacht und versucht jetzt, diese UNO-Autorität wiederaufzubauen, die es selbst mitgeholfen hat zu zerstören. Das hat die Politiker im Bewusstsein der Leute diskreditiert. Man glaubt denen schlicht nicht mehr – und auch zu Recht. Man glaubt auch Schröder kein Wort mehr, denn er betrachtet, wie seine Kollegen, alles aus dem Blickwinkel des Kalküls. Was immer er sagt, ist als Lüge durchschaubar, es geht nur noch um Fragen wie diese: Wie lange hält er das aus? Wie viel an Widersprüchen und Lüge kann er sich leisten? Niemand betrachtet Schröders Äußerungen noch als die Aussagen eines ehrlichen Mannes. Dass er keiner ist, darin sind sich alle einig. Das Gleiche gilt für Herrn Koch oder Frau Merkel. Die so genannte politische Klasse hat sich ihrer Glaubwürdigkeit entledigt und setzt rein auf Medieneffekte. Wobei durchaus möglich ist, dass sie dabei richtig kalkuliert. Nicht um Glaubwürdigkeiten geht es, sondern um Gewichte.

Interview: Stefan Grissemann
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