monika fleischmann on Mon, 3 Mar 2003 19:10:18 +0100 (CET)


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[rohrpost] Re: Kittler-Interview


Vielleicht kannst du ihm das Buch von J=fcrgen
Todenh=f6fer empfehlen:
Wer weint schon um Abdul und Tanaya?
Die Irrt=fcmer des Kreuzzugs gegen den Terror.

Gr=fcsse, Monika


> Weil wir ja gerade neulich diese Diskussion =fcber
Kittler
> hatten, hier ein  Interview mit ihm zum Irakkrieg aus
der
> "Welt am Sonntag". Auf weia!
>
> Gruesse,
> Tilman
>
> http://www.wams.de/data/2003/03/02/47069.html
>
> „Technisch ist der Krieg ein Quantensprung"
>
> Der Medienphilosoph Friedrich Kittler erkl=e4rt, warum
ein
> Kampfeinsatz im  Irak gute Gr=fcnde hat - Interview
>
> WELT am SONNTAG: Waren Sie bei einer der vielen
> Friedensdemonstrationen der  letzten Tage?
>
> Friedrich Kittler: Bei aller Sympathie mit dem Wunsch
nach
> Frieden und der Irritation, die der Begriff
> „Pr=e4ventionskrieg" in jedem von uns  erregt: Wenn es
darum
> geht, pr=e4ventiv den =d6lpreis f=fcr die n=e4chsten 20
Jahre
> abzusichern, statt nur nach diplomatischen Initiativen
zur
> Kriegsverhinderung um jeden Preis zu schreien, kann
ich
> diese Operation  billigen.
>
> WamS: Sie sind f=fcr einen Krieg?
>
> Kittler: Wenn es darum geht, einen handfesten M=f6rder
zu
> fassen,
>
> w=e4re es nicht notwendig, ein ganzes Land
anzugreifen. Ich
> hielte  Polizeima=dfnahmen an dieser Stelle f=fcr
angezeigt.
> Wenn die CIA es nicht  schafft, mit einem
> Kommandounternehmen jemanden aus seinem
Bunker zu holen  -
> der Mossad kann es auf jeden Fall.
>
> WamS: Sie haben also doch Verst=e4ndnis f=fcr
Schr=f6ders
> Anti-Kriegs- Politik?
>
> Kittler: Nein, f=fcr Schr=f6der habe ich nie
Verst=e4ndnis.
Wenn
> der brillante franz=f6sische Au=dfenminister - und
unserer
> scheint ja im  Unterschied zu seinem Kanzler auch
nicht
> auf den Kopf gefallen - im  Sicherheitsrat
> unerwarteterweise noch etwas erreicht, kann man
immerhin
> sagen: Die franz=f6sische und russische Diplomatie hat
sich
> bew=e4hrt. Aber die  deutsche k=f6nnen wir f=fcr die
n=e4chsten
> zehn Jahre beerdigen.
>
> WamS: Was spricht gegen die deutsche Position?
>
> Kittler: Nur weil wir uns schon zu Breschnews Zeiten
das
> russische
>
> Erdgas in den Rachen geschmissen haben, k=f6nnen
wir
> einigerma=dfen so tun, als  ob uns das Erd=f6l gar nichts
> anginge. Unsere Auto- und Flugzeugindustrie  geht es
aber
> sehr wohl etwas an.
>
> WamS: Zur Sicherung der Erd=f6l-Ressourcen w=e4re ein
Krieg
> f=fcr Sie gerechtfertigt?
>
> Kittler: Ist ja nichts Ehrenr=fchriges. Dass die USA
zehnmal
> mehr =d6l verbrauchen als Not t=e4te und Spitzenreiter
sind im
> Verprassen der  unersetzlichen fossilen Reicht=fcmer,
macht
> einem Sorgen. Aber das ist nun  einmal die
amerikanische
> Mentalit=e4t.
>
> WamS: Ein Krieg w=fcrde auch bedeuten: Bomben auf
Frauen und
> Kinder.
>
> Kittler: Diese Art von Bombenkrieg ist nicht so
fahrl=e4ssig
> ordin=e4r wie die Bombardierung Japans und
Deutschlands im
> Zweiten Weltkrieg. Wenn die  Bomben jetzt fallen,
dann f=fcr
> den guten Zweck, so schnell wie m=f6glich auf  Bagdad
zu
> marschieren. Das verstehe ich schon.
>
> WamS: Die Hoffnung auf eine friedliche Weltordnung
nach
> dem Kalten Krieg hat sich zerschlagen.
>
> Kittler: Es sieht so aus. Das Pentagon selbst hatte ja
> eine Zeit lang die Hoffnung eines k=fcnftig rein
virtuellen
> Krieges, bei dem sich nur noch  Software gegenseitig
> ruinieren w=fcrde. Offenbar vom serbischen
Geheimdienst
> bezahlte Hacker haben ja einmal den Server des
> NATO-Pressezentrums  ausgeschaltet. An dieser
Anekdote
> schien mir bezeichnend, dass es eben  nicht die
Kampf-
> relevanten High-Security-Netze waren.
>
> WamS: Sie haben als Wissenschaftler die moderne
> Kulturgeschichte als „Kriegsmediengeschichte"
beschrieben.
> Erkl=e4ren Sie das  kurz?
>
> Kittler: Ich fand und finde, dass man in der
> Kulturgeschichte die technischen Medien massiv
> ber=fccksichtigen muss. Es gibt Speichermedien, die
etwas
> auf Dauer stellen. Es gibt =dcbertragungsmedien, die
> Nachrichten sehr  schnell machen, und drittens - das
ist
> vor allem f=fcr die Jetztzeit wichtig  - Medien, die Daten
> manipulieren und ver=e4ndern k=f6nnen, zum Beispiel
Computer.
>
> „Technisch ist der Krieg ein Quantensprung" (2)
>
> WamS: F=fcr Sie ist die vom Krieg vorangetriebene
Evolution
> der Technik  eigentlicher Antrieb der Moderne.
>
> Kittler: Wenn jemand glaubte, ich w=fcrde durch
F=e4lschung
> Heraklits behaupten, alle Medien k=e4men aus dem
Krieg oder
> der Krieg sei der Vater  aller Medien, dann w=e4re das
ein
> Kittler-Missverst=e4ndnis.
>
> WamS: Wie meinen Sie es denn?
>
> Kittler: Speichermedien wie B=fccher sind eher f=fcr
> Priesterkasten, wie
>
> wir Gelehrten ja auch eine sind, haben Kriege - oder
auch
> Liebe - also nur  als Thema. Ich glaube aber genauso
fest,
> dass Kriegern am meisten daran  liegen muss, die
> schnellsten Befehls- und Nachrichtenwege zu haben.
Deshalb
> kommt alles, was heute Telekommunikation hei=dft,
aus dem
> Krieg - bis  einschlie=dflich zum Internet. Das Radio hat
> 1914, lange vor seiner zivilen  Nutzung, als
Heeresfunk
> das Wesen des Ersten Weltkriegs ver=e4ndert; der
Computer
> wurde im Zweiten Weltkrieg eingesetzt, um gemeine
> Funkspr=fcche der  Wehrmacht zu knacken...
>
> WamS: ...klingt, als wollten Sie sagen: Krieg hat auch
> sein Gutes. Er bringt viele Erfindungen hervor.
>
> Kittler: Ja, wie das Beispiel zweier Weltkriege zeigte:
> Jedes =dcbertragungsmedium ruft seine eigene
=dcberbietung
> hervor, der Heeresfunk den  Geheimdienstcomputer.
Aber
> alle Medien sind so zweideutig, selbst mit  Briefen
kann
> man Schindluder treiben. Gleichzeitig sind
Liebesbriefe
> das  Sch=f6nste - na ja, Zweitsch=f6nste - der Welt. Es
war
> nie meine Aufgabe, in  dieser Sache moralisch zu
werden.
>
> WamS: Ein m=f6glicher Krieg ...
>
> Kittler: ... wieso m=f6glich? Sicher! Wer schmei=dft so
viele
> Milliarden
>
> raus und unternimmt nichts? In zwei Wochen ist es so
weit.
>
> WamS: Bef=f6rdert auch dieser Krieg den Fortschritt?
>
> Kittler: Technisch ist es wieder ein Quantensprung.
> W=e4hrend des
>
> Zweiten Weltkriegs gab es in England zehn oder elf
> Fast-Computer, um die  deutsche
Geheimschreibmaschine zu
> knacken. Der einzige kriegswichtige  Computer in den
USA
> wurde erst nach dem Sieg =fcber Hitler fertig und hat
> geholfen, die A-Bomben =fcber Japan durchzurechnen.
Heute
> hat jeder  US-Elitesoldat einen eigenen PC dabei,
h=e4ngt
> bei Tag und Nacht am  Satellitensystem GPS, das ihm
sagt,
> wo in der arabischen W=fcste er gerade  steht. Vernetzte
PC
> sind also eine Waffe.
>
> WamS: In der Ablehnung eines Krieges wei=df
Schr=f6der die
> Mehrheit der Bev=f6lkerung hinter sich. Darf sich ein
> demokratisch gew=e4hlter Politiker  dar=fcber
hinwegsetzen?
>
> Kittler: M=fcsste er sogar. Aber Schr=f6der ist ja selbst
der
> Kanzler des zweiten Bildungsweges und hat sich um
die
> Bildung der Deutschen nicht  gerade verdient
gemacht. Es
> ist schon die verdammte Schuld der  SPD-Schulpolitik,
dass
> wir so bl=f6d geworden sind. Und prompt kommt
besagte
> Stimmung von Leuten zur=fcck, die sich wenig um die
Welt
> k=fcmmern...
>
> WamS: Sie behaupten, mangelnde Bildung und
Friedensliebe
> hingen zusammen?
>
> Kittler: Nein, Anstand ist kein Bildungsgut. Aber bei
den
> besser Verdienenden - die ja vielleicht doch ein
bisschen
> mehr Ahnung von der Welt  haben - gab es laut
Allensbacher
> Studien vor der Bundestagswahl einen  wilden Willen,
CDU
> zu w=e4hlen.
>
> WamS: W=e4re ein Kampfeinsatz gegen den Irak ein
gerechter
> Krieg?
>
> Kittler: Es w=e4re auf jeden Fall aus Sicht der westlichen
> Welt ein
>
> n=fctzlicher Krieg.
>
> Das Interview f=fchrte Markus Albers.
>
> Artikel erschienen am 2. M?2003
>
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