Peter C. Krell on Fri, 7 Feb 2003 19:35:12 +0100 (CET)


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Beitrag zur Diskussion: (taiwan economic review, 17.4.2002)

Ich finde Deine Darstellungen und Lesarten irgendwie 2-D. Prof. F.A. Kittler
hingegen erschafft jenseits seiner Texte ganze Wort- und Klangräume, die als
Performance an und für sich eine tief ästhetische Inszenierungsqualität
originärster Authentizität besitzen. Friedrich Kittler hat ganze Hymnen und
Betonungslernen komponiert. Seine SchülerInnen und Schüler wissen dies zu
schätzen. Lauschte man einem Florian Cramer nur ein Halbesstündchen
schimmerten genau diese Wort- und Klangmelodien, die Kittlers immaterielles
Erbe darstellen durch die Diskurse als unbewusste Refraktion durch jede
geschriebene Zeile mithindurch. Internalisiert und in rekursiver Applikation
gegen ein allzu groß empfundenes menschliches Über-Ich setzt im Gestus der
Wiedergewinnung des Selbst beim kleinen Anderen die klangunkritische
Reproduktion der unbewusst empfangenen Klänge ein. Besteht genau darin nicht
ein wesentliches Moment von Kulturstiftung und Medialität? Über den Abgesang
der Materialität nur im Sprachgestus der Worte anderer grosser Denker
sprechen zu können?

Die Notationen dieser Klang-Performances sind durchaus aufschreibbar,
ähnlich wie bei Jacques Lacan geschehen. Medialität per se weist
animistische Restwerte auf. Wer diese bei den vielen Verweisen von Friedrich
Kittler auf Prof. Wolfgang Hagen von der Deutschen Welle nicht herausliesst,
ist eben 2-D. Dies allein aber ist das Mediale an Kittler. Es evoziert sich
nicht immer, aber manchmal, dieses Gefühl einer höheren Geworfenheit.

Vor einem dynamisch gedachten, tiefgeistig durchdrungenen Kulturhintergrund
kommen einem dann solche kritischen Worte vor wie reinste Schildbürgerei.
Sicher ist nicht alles Gold, was glänzt und sicher kann man auch jedem Lob
einen zynischen Unterton ablauschen. Plattitüdenhaft trivialisiert nehmen
die vornehmen Gedanken, refraktiert in einem Listenbeitrag wie diesem, ihre
eigene memetische Gestalt an und schaffen Refugien der Sinne in Abkehrung an
eine Polemik, die immer und ständig das letzte und beste Wort haben will.

Um letztendlich aber wirklich beurteilen zu können, wie 2-D das eigene
Textverständnis tatsächlich ist, müsste man mal von dem einen oder anderen
einen richtigen "TEXT" einfordern und lesen. Die Zeitressourcen aber um
solche Texte zu verfassen, sind heutzutage kaum noch Leuten gegeben. In
Amerika um so weniger als hierzulande. (Sie sind damit also wenigen eine
bourgoise Freude oder aber ein vorläufiges Hobby von Langzeit-Arbeitslosen.)
Wahre Texte aber haben bisweilen ungekannte Tiefen, die sich schwer
auszuloten lassen und von Zeit zu Zeit von einer Medialität jenseits der
Hardware zeugen, wo das eigene Selbst gemäß Derridas "différance"
Denkparadigma auch innerhalb einer Adornoschen Sprache der Unterdrücker in
der Lage ist, das andere von sich selbst als solches zu denken, also auch
das eigene System, den eigenen Denkapparat, ausserhalb des eigenen Systems,
des eigenen Denkapparts. Diese Überlegung umfasst ein Leben jenseits der
Universität mit einer eigenen Sprache und eigenen Gedanken mit teilweise
nicht artikulierbaren Ideen. (Wie beispielsweise Musik und Film. Aber auch
Computerspiele). Die Transmediale hat es wieder mal gezeigt: das
Unbeschreibliche dieses Festivals ist ephemer verklungen und das Festival an
und für sich wäre ohne diese ganzen unsäglichen Restwerte der Performances,
Gespräche und Screenings gar nicht erst denkbar gewesen.
Prof. Sarat Maharajs hohe Konzepte des Nicht-Retinalen und Unentscheidbaren
treffen im Dunste einer unvermutet trivialen Weltbanalität erneut auf ihre
aktivsten sowie trivialsten Gegner und ihre selbstfixiertesten, viel
beschäftigsten Ignoranten.
Oder m.a.W.: zuviel wortbelesenste Genauigkeit verhindert die aktive
Selbst-Fortpflanzung. Der Prozesss der Raffung (Rendering) setzt ein und
schafft kompilierte Versionen der verfügbaren Sourcen und Resourcen (also
auch in Abhängigkeit von materieller Hardware). Und Automatismen bringen
dazu ihre groben Unzulässigkeiten hervor. Ich denke, dass ein wesentliches
Moment der Heterosexualität beim kompilier Vorgang im Unperfekten an sich
verborgen bleibt auch wenn sie sich nicht immer wortwörtlich zur Sprache
bringen lässt. Das Unsägliche einer Kultur verweist immer auch auf immense
Unterschiede ausserhalb ihrer eigenen Grenzen, innerhalb derer sie mit mehr
oder weniger Relevanz zur Sprache kommen. Und preussisch genau attestiert
man dann "Bewegungen" wie auch Software Art bei der Grenzabschreitung ihres
spezifisch imaginierten Terrains ihre allgemeine Existenzberechtigung. Und
dies bei aller Ironie.

Richtig ist sicher, dass ein jeder Kritiker sich, geschult am eigenen Mass,
immer ein menschliches Potential zur Unvollkommenheit gönnt, die sich nicht
bei aller textlichen Meisterschaft eines jeweiligen Schreiberlings
wegkaschieren lässt; gerade auch im Hinblick auf andere Kulturen, die sich
nicht kolonial erschliessen lassen. Und kontinuierlich affektiv affirmiert,
operiert das lymbische System unbewusste Emotionsroutinen aus. Beim Emfang
der Texte wie der Klänge und Bilder prozessiert das Unbewusste also
koninuierlich, wie es nicht nur J. Lacan sondern auch Annette Bitsch u.v.a.
wissen. Den eigenen Text vor Augen empfängt ein jeder selbst beispielsweise
dann die mediavistisch verklungenen Melodien eines Becketts. "Geist der
Texte, wo steckt Deine Essenz des Lichts (in Bildschirmmedien...)"
Und Denken jenseits der Physik ist zur Zeit noch irgendwie
unwissenschaftlich. Dabei haben wir ihr doch alle schon viel zu viele Fragen
gestellt...

Also, bevor man also grosse Türme zu Fall bringt, sollte man, glaube ich,
lieber lernen, wie ein Bauer das Feld beackert.

Oder findet Software Art am Ende dann doch an einem Ort jenseits der
irdischen Welt-Physik statt?

"Klein und weich."

Gruss,
Peter

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