Matze Schmidt on Thu, 1 Aug 2002 12:42:00 +0200 (CEST)


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[rohrpost] n0name newsletter #42


n0name newsletter #42 documenta-Stadt Mi., 31.07.2002 19:13 CET 

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*Inhalt/Contents*
0. Intro 
1. I Hate You "I Love You" Part 2 
2. letzte freie garage 
3. Schnellentwurf fuer (k)eine documenta 12 
4. Was ist 3D Open Space? Vers. 0.5 
5. Das W-LAN Manifest 

16KB, ca. 6 DIN A4-Seiten 

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0. 

Intro 

Wie immer zu spaet, sorry! 
"Wer Urlaub braucht lebt verkehrt." Deshalb macht n0name 3 Wochen Ferien!  

Ali Emas <ali.emas@n0name.de>

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1.

I Hate You "I Love You" Part 2 

Die Computerviren Ausstellung im MAK Frankfurt 

Wegen einer 'ontologisch' unmoeglich gewordenen kategorischen 
Trennung von biologischem Virus und computergeneriertem Virus werden 
Computerviren als (neue) verdeckte, quasi kybernetische Strategie 
gegen das totale elektronische Panotpikum gehandelt: sie 
reproduzieren sich, sie schreiben sich ein, sie leben. Coding hat 
hier den effektivsten Impact, als Programm-Ordnungswidrigkeit, als 
Mem, als Alltagspoesie - in Softwareklitschen vetreibt man sich die 
Flexibilitaets-Repression schon laenger mit Javascript-, oder 
PHP-Gedichten. 

Der Mythos der Viren besteht vielleicht darin, dass ihnen eine Art 
eigenes Triebleben zugeschrieben wird, welches allerdings 
Wunschmaschinen-, Jungesellenmaschinenmaeszig aufgeladen wurde. Der 
demiurgische Griff aufs Keyboard bringt etwas hervor, was seine eigene 
Macht ist, aber immer dem Referenten verpflichtet bleibt - ganz so wie 
elektronische Haustiere und Pokemons. Sie bedienen ein Imago: 
guerilla-artig, multitude-ig und unstoppbar sind sie nicht nur 
selbstbewegt (1. biologisches Indiz fuer Leben), sondern sie bewegen 
auch andere Systeme. Wie Aliens (siehe -> Florian Cramer ueber 
Burroughs' "Virus Sprache" im Katalog "I Love You"*) dringen sie ein, 
tarnen sich, appropriieren, benutzen, heben die Systemgrenzen auf 
indem sie diese neu instruieren. Register des modernen Schoenen tauchen 
auf: die Katastrophe (der Computercrash), die Form (Code-Poetry), die 
Stoerung (das Popup), der Tausch (Soziale Viren). 

"Virus-Kunst" re-investiert, wenn sie politisch gedeutet wird, offenbar 
in mehreres, u.a. in einen Neo-Gestus wie er z.B. auch in der taktisch 
nahverwandten Branche Graffitty auffaellig ist. Das Werk (das Piece, 
der Code) wird zwar als einem Prozess des Oeffentlichen 
Ueberantwortetes verstanden, der Ur-Heber aber bleibt als setzender 
Autor bestehen. In einer Selbstkriminalisierung wird dann der 
polizeilich dingfestzumachende Autor vom Rebellen als Verursacher 
seiner selbst in dessen eigenen Arbeits/Lebens-Entwurf rueckueberfuehrt 
und als positiv umdefiniertes Stigma gewonnen. Der Impuls der 
Kriminalisierung geht nicht nur vom Staat aus! Die Mafia, der 
»Staat der Codes« wird von der "AntiMafia" (epidemiC) akzeptiert und 
als Trainingsflaeche bespielt. Ewige Rebellion. 

'Natuerlich' zeigen "01.org" (Teilnehmer von "I Love You") im 
Hochglanzmagazin zur Ausstellung "Manifesta" in Frankfurt/Main kein 
Portrait von Personen in schwarzer Kleidung (ihre Verkleidung), 
sondern Routerkabelgewirr - der typische Techno-Gestus. PC-Zeitungen 
vetreiben Hackerz-Handbuecher auf CD-ROM. Das Innenministerium der 
BRD zeigt auf dem Label der "Sicherheits-CD" konsequent den 
Symphatietraeger Wachhund**, wie er aus dem Computermonitor 
laechelt: Security inkorporiert, "Erste Hilfe fuer Microsoft-User". 
_____
* Ausstellungskatalog zu _I love you: Computer_Viren_Hacker_Kultur_ 
  im Museum für Angewandte Kunst von digitalcraft 23.Mai bis 13.Juni 2002. 
  Schaumainkai 17, D-60594 Frankfurt am Main, Tel: +49 (0)69 212 340 37, 
  Fax: +49 (0)69 212 307 03. www.digitalcraft.org, www.mak.frankfurt.de 

** "Wahrscheinlich gehoeren Sie aber zu den rund 400 Millionen Menschen 
   auf der Welt, die Zugang zum Internet haben - wenn Sie den auch 
   nutzen, sind Sie einer von mehr als 25 Millionen Internet-Usern 
   in Deutschland. _Ins Internet - mit Sicherheit_. Bundesministerium 
   des Inneren, Bundesamt fuer Sicherheit in der Informationstechnik 
   (BSI) (Hg.). 2000. Die CD-ROM ist neben ihrem, laut "Bild", schlechten 
   Service eher als erste Werbemasznahme zum Start der Akzeptanzkampagne 
   der von Innenminster Schily ab 2005 geplanten Rationalisierung (im 
   Jargon "online-tauglich machen") "staatlicher Dienstleistungen" 
   einzuschaetzen. 

Matze Schmidt <matze.schmidt@n0name.de> 

[I Hate You "I Love You" Part 1 im -> n0name newsletter #41.5 
http://www.n0name.de/news/news41.5.txt 
oder 
http://www.n0name.de/news/news41.5.html] 

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rubrik stenzel neuneuneu

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2. 

letzte freie garage 

Eine Garage mitten im Sommer 2002, in einer Stadt an der Ostsee, die als 
ehemalige Fischerei- und Werftstadt und ehe-ehemalige Hansestadt nun die 
Kulisse fuer Kuesten-Tourismus abgibt. Hier, wo das Kaufhaus Wertheim 
sein nun wiederaufgebautes Stammhaus hatte, wird die Backstein-Gotik 
zur letzten nachhaltigen Ware des Ortes. Der Rummel erscheint wie 
die letzte noch moegliche Disneyfizierung des letzten Winkels. 
Das "garage festival" in Stralsund zeigt seine Praesenz im Kontrast
zur Reanimation der City und im Gegensatz zu den Animateuren des Schund. 
Auch in Konkurrenz. 

Direkt gegenueber wummert der CD Wechsler des "Magic Cranes" von 
11 bis 23 Uhr Euro-Hits-on-45 Mixes, wo Ver(w)irrte ihre letzten EUROs 
fuer den Versuch investieren, mit betruegerische Kraenen ein Handy oder 
einen 50 EURO-Schein zu heben - eine gewisse Redundanz liegt in der 
Symbolik. Die Aufmerksamkeitsmaschine ist die effektivste, die am 
hellsten und am lautesten schreit. Irgendwann steht dann tatsaechlich 
Sound gegen Sound, von der anderen Seite droehnt der andere Beat. 
Style Wars oder »Ideologie Krieg«? 

Das Fruehstueck ist hungrig und am langen Tisch. Das auf der Hand 
gespielte Konzert des Gameboy Artisten (Matt Wand, Programmierung von 
nanoloop) ist nicht so gut besucht, drauszen vor der Garage mit dem 
kleinen g ueber dem Eingang feiern die Leute am Kanal. Man hofft, dass 
man nicht mit einem Minus abschlieszt. Das Geruecht kursiert, jemand 
wolle die "Ars Electronica" im September gemaesz ihres diesjaehrigen 
Themas unplugged schicken. Die PainStation quaelt nicht wirklich, sondern 
macht Lust. 

garage 
festival fuer kunst, musik und film -- stralsund 26/07-17/08/2002 
playground 
http://garage-g.de 

Matze Schmidt <matze.schmidt@n0name.de> 

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3.

Schnellentwurf fuer (k)eine documenta 12

1. Wie heiszt das Buch mit den 10 oder 12 Tips fuer Antiaktionen gegen 
die documenta? 2. _Widerstand_? 3. Etatoffenlegung und -kontrolle per 
Randomfunktion 4. Aufloesung der documenta GmbH 5. Es gibt kein Konzept 
mehr, Qualitaetskriterien werden abgeschafft 6. Hauptveranstaltungsort 
ist das ehemalige Gelaende der Ruestungsfirma Wegmann 7. An alle 
Besucher werden Laptops ausgegeben 8. Es gibt freien Zugang zu allen 
Datennetzen, Rundfunkkanaelen und Gebaeuden 9. Einen Fuehrungsdienst 
gibt es nicht 10. Kuratoren werden gekillt! 11. Kein Mensch ist ein 
Kuenstler 12. findet nicht statt 

Xaver Schulz <xaver@n0name.de>

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4. 

Was ist 3D Open Space? Vers. 0.5 

1 superkurzes Wissens(v)erklaerungsmodell von A ueber B nach D 


A ufmachen: "Open Space" ist eine Konferenztechnik oder 
Kommunikationsmethode, mit der versucht wird, Wissensproduktion und 
-transfer zu enthierarchisieren. Die Legende will, dass, ausgehend von 
der Beobachtung, wirklicher intersubjektiver Austausch auf Kongressen, 
Symposien und Meetings finde vor allem informell statt (in der 
Kaffepause), es DIE Idee war, genau dieses Phaenomen informellen 
Wissenstransfers zu formalisieren. Indem der Aufbau eines Treffens von 
Frontalsituationen und One2many befreit wuerde, koenne das 
kommunikative Potenzial aller Beteiligten und nicht nur "einiger 
weniger" Experten fuer die Produktion von Wissen exploitiert werden 
("Everyone is an expert"). Es handelt sich also um eine vermeintlich 
basisdemokratisierende Content Management-Methode, mit der moeglichst 
viel Performance hergestellt werden soll und deren Vorteil darin 
liege, die Pyramide des Top-down in eine flache Hierarchie zu 
ueberfuehren (»Horizontalisierung der Top-down-Pyramide«). In einen 
Kreis von per se Wissenden treten immer per se Wissende ein, ueber 
die Qualitaet des Wissens entscheiden Alle. Radikal angewendet geht 
diese Methode soweit, sogar das zu bearbeitende Thema der 
Entscheidung der Teilnehmerinnen dieses Offenen Raumes zu ueberlassen. 
Open Space wird vor allem im Wirtschaftsbereich wie eine 
Aktualisierung des alten "Brain Storming" angewendet. 

B ruecken: Uebertragen auf Gesellschaften, koennte die Fantasie 
des Open Space (OS) die Revolutionierung von tradierten 
Entscheidungsprozessen jeglicher Art verheiszen. Die Relevanz von OS, 
detournementiert in eine Taktik, liegt im Bereich sozialer Technik. 
Unterscheidet man Technik in »technische Technik« (alle Praktiken, 
die Apparate, Maschinen und ihre Peripherien thematisierend beinhalten) 
und »soziale Technik« (alle Praktiken, die Individuen, Gruppen und ihre 
Peripherien thematisierend beinhalten), dann kann man den Konnex 
bilden zum prominenten Phaenomen der Open Source (GNU/Linux). 
Open Source (OS), oft synonym mit dem Computer-Betriebssystem Linux in 
Verwendung, fuszt auf der Offenlegung proprietaerer Quellcodes, also 
unter Verschluss von Copyright gehalteter Information (die selbst noch 
kein Wissen ist, sondern erst ausgelesen werden muss, und erst dann 
Wissen oder Operation werden kann). 
Hiermit sind Aspekte versammelt, die beide Bereiche, technische Technik 
und soziale Technik, verbruecken. Dass ist sehr wichtig, denn 
wissenschaftlich definitorisch koennen beide Bereiche getrennt 
voneinander gesehen werden, politisch offenbar jedoch nie. Sie bilden 
ein dialektisches Paar. Die Verbrueckung besteht ganz einfach aus der 
strukturellen Gleichung beider Problematiken: wie oeffnet man/wie 
oeffnet sich Wissensproduktion? Durch OS + OS !

D imensionieren: 3D Open Space ist - in einem Wortspiel - zunaechst eine 
ironische Redundanz von parallelen Raumbegrifflichkeiten. Auf den ersten 
Blick ist diese Montage absurd, weil 'wir' Space/Raum (auch wenn er open 
ist, auch wenn er closed ist) immer 3dimensional, realraeumlich und 
kontinuitaetsgebunden aufzufassen gewohnt sind. 3D und Space als Formel 
meint aber die Montage der medientechnisch induzierten Unterscheidung 
von physischem Realraum und simuliertem 3D-Raum. Mit Medien und ihren 
Netzwerken aendert sich diese wahrnehmungs-ideologische Perspektive 
jedoch in Richtung von Verschiebbarkeiten von Raum-Zeitgefuegen 
(konsequenterweise muesste man von einem "4D Open Space" sprechen, der 
den Faktor Zeit mit einbezieht). Die Gewohnheit, der Habitus eines 
kontinuierlichen Realraums wird mit den Immersionstechniken der 
3D-Projektion unterlaufen. 
Der *Dreidimensionale Offene Raum* (3D Open Space) kann Charakteristika, 
im Sinn einer effektiven impactfaehigen Verschaltung der 
Kommunikationsmethode Open Space mit der Copyleft-Strategie Open Source 
an sich selber aufzeigen. Das liest sich abstrakt, ist aber konkret, 
denn nur was physisch geht, geht auch immateriell und vice versa. 
Spricht man von Plattformen und Hybriden Arbeitsraeumen, die das Modell 
des 3D Open Space vordenken und vormachen, dann sind diese Spaces 
(Areale, Foren, Agoras) vielleicht noch zu sehr an kalkulierten 
inhaltlichen Programmen orientiert. Ihre radikale Oeffnung fuer Input 
wuerde jedoch kreatives Chaos, aber vermutlich auch neue, wenn auch 
restriktivfreiere, Exklusionsmechanismen hervorrufen. 

Um es superkurz zu machen: Es geht unschlieszlich darum, jeglichen Raum 
territorial zu oeffnen und zu schlieszen und zu oeffnen und zu ... , 
also das, was schon immer passiert, in ein transparentes Produkt des 
Prozesses zu verwandeln. Dreidimensionale Offene Raeume werden kein 
»soziales Plastik« (Beuys) und keine computergestuetzte Transzendens 
(Computergames) sein. Sie werden Action-Theorie sein! 

Ali Emas <ali.emas@n0name.de> 

erscheint in: n0name newsletter #42 http://www.n0name.de [n0name with a 0 
(in words "zero")!] 

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5. 

Das W-LAN Manifest 


Ein Wireless-Local Area Network (W-LAN) ist kein Businessmodell 
fuer die pausenlosen, lebenslangen Immernetze IBMgesteuerter 
Flachhierarchien zur Effektivitaetssteigerung des Output 
Kreativen Potenzials im e-Commerce. 

Sie wollen kein Second Home ("kleines Heimnetz") evozieren in 
dem man sich von den Muehen des Digitalen Alltags ausruht, um 
seinem Hobby Geschenkoekonomie nachzugehen. Ihr utopistisches 
Moment liegt nicht im "Vernetzen" relais-artig verschalteter 
Communitys auf lokalem und translokalem Level. Sie koennen nur 
luxurioes funken und Antennen be-Rauschen. Feiern wir das Aether 
Revival! Eine Gigahertzfrequenz ist schoener als ein Kuenstler 
aus Lagos. 

Zum destruktiv potlatchartigen Ueberfluss der kabellosen 
Netzwerke gehoert der Impetus einer abgeklaerten Connectivity, 
der es nicht mehr egal sein kann, ob es sich um ein 
stillgelegtes Backbone oder die Zonengrenze vom Opal-Gebiet 
handelt. Keep on Peacedriving! 

W-LANs sind No-Service, sie betreiben ihr eigenes Insourcing. 
Wir spielen LANs pour LANs statt l´art pour l´art und 
installieren im Funshop den Access Point zum Counterstrike 
gegen die grosze LAN-Party der reduktionistischen Trennung von 
Management und Produzentin. 

Funky Netzwerke sind das Public-Private Interface im 
Stealth-Modus unterhalb aller Selbstkontrolle. Sie Guerillapfade 
im staatsmafioesen Infobahn-Dschungel. Und wenn sich auch die 
letzten 5 Jahre nichts veraendert hat. 

Nutzen wir die nexten 3 Minuten im Hotspot! 

Kassel, 5.7.2002 

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Naechster/Next n0name newsletter: Ende August 2002/End of August 2002

Vorschau/Preview: 
Inke Arns' _Netzkulturen_ 
real.-Mapping in London 
Die UnterzeichnerInnen der Petition an Governor Leifeld 

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