Peter C. Krell on Thu, 16 May 2002 17:26:04 +0200 (CEST)


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[rohrpost] BPjS: Keine Indizierung von "Counterstrike"


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Soeben eingetroffen:

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Bonn, 16.05.02 / 16:01 gamesmarkt.de 
 
 

BPjS: Keine Indizierung von "Counterstrike" 

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS) hat den nach den Ereignissen in Erfurt stark in die Kritik geratenen Spieletitel "Counterstrike" nicht indiziert. Zwar stellte die BPjS in ihrer Begründung fest, dass zahlreiche Elemente für eine Indizierung sprechen würden. Insgesamt hätten aber Argumente wie etwa die strategische Vorgehensweise, die Spielergemeinschaft und die Kommunikation unter den Spielern überwogen. In einer Pressekonferenz erklärte die BPjS-Vorsitzende Elke Monssen-Engberding, dass das Gremium in ihrer Entscheidung unsicher gewesen sei. Sie selbst habe allerdings bereits im Vorfeld des heutigen Tages gegen eine Indizierung tendiert.  


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Die USK zur "Gewaltdiskussion" 

 
Seit den schrecklichen Ereignissen in Erfurt haben sich zahlreiche Vertreter der Branche und auch branchenfremde Stimmen mehr oder weniger fundiert an der Diskussion über Gewalt in den Medien beteiligt. Nur die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) hielt sich mit einem Statement bisher auffällig zurück. Immerhin ist sie für die Erteilung von Altersempfehlungen für Computer- und Videospiele in Deutschland zuständig. Nun hat sich Dr. Klaus-Peter Gerstenberger, Leiter der USK, zu Wort gemeldet. 
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Der Artikel im Wortlaut:

Die Fernsehgeneration entläßt ihre Kinder

Die Diskussion um Erfurt offenbarte vor allem eines: Sprachlosigkeit zwischen zwei Mediengenerationen. Und auch nach Erfurt fehlt weithin die Übersetzungsarbeit.

Eine Woche nach dem Massenmord von Erfurt waren die Medien zerstritten. Der Gewaltverdacht wurde von den alten zu den neuen Medien durchgereicht mit dem Argument "Kein runder Tisch mit Schmuddelkindern". "Einige Fernsehmacher" wollten mit "solchen Verbrechern" nicht an einem Tisch zusammenkommen (Spiegel-Online am 3.5.02.). Microsoft, Nintendo und Sony waren irgendwie auch gemeint.

Dass empfangene und interaktive Kultur bis heute in Deutschland eher in Konkurrenz leben, muss nicht verwundern. 30 Jahre nach "Pong" gilt die Fähigkeit, sich mit 35 Partnern aus aller Welt an einer Partie Counterstrike zu beteiligen hier zulande noch immer weit weniger als die Kultur des Couch-Potatoe. Dabei sollte ein Land, dass über schlechte Noten aus Pisa klagt, die Fähigkeit hoch schätzen, 800 verschiedene Rechner in fünf Stunden zum funktionsfähigen Netzwerk zu verbinden. Wie lange würde die Bundeswehr brauchen, um das gleiche Ergebnis zu erreichen.

Spielspaß ließe sich kaum vermitteln, wenn Fußball im Fernsehen allein aus der Sicht des Beins von Michael Ballack abgelichtet würde. So viel Aufwand schien aber ausreichend, wenn dem erstaunten Fernsehpublikum in den letzten Tagen eine LAN-Party erklärt wurde. In diesem Land wird eine Inder-statt-Kinder-Debatte geführt, zugleich werden die Kinder der neuen Medien als Killertypen im Dauertraining vorgeführt. Wenn die Kinder der "Mörderspiele" denn überhaupt zu Wort kamen, bemerkten die verwundert und fast beiläufig, ganz gut zu wissen, dass im Kasper eine Hand steckt.

Die Fernsehgeneration entlässt ihre Kinder, auf LAN-Partys, in deren Umfeld Hooligans nicht vorkommen. Und doch ist die neue Jugendkultur angstbesetzt, zumindest aus der Sicht vieler Fernsehsessel in Chefetagen und Wohnzimmern. Derweil hat sich eine neue Generation in der Freizeit selbst alphabetisiert, von Gutenberg zu Bushnell, oft unbemerkt von Familie und Schule, oder gar gegen deren Widerstand. Solange Computer eher Quoten bringen, wenn sie als Waffe vorgeführt werden, wird sich daran wenig ändern. Man stelle sich umgekehrt vor, was das Programm "Computer in die Schulen" ohne diese Selbstlerner bis heute bewirkt hätte.

In der Diskussion nach Erfurt ging es um Kulturtechnologien, die für Globalisierung und Informationsgesellschaft stehen: Internet, LAN - und eben auch internationale Team- und Strategiespiele wie Counterstrike. Den Vertretern der gestandenen Medien war entgangen, dass sie sich nicht mit Randgruppen, sondern mit einer neuen Mediengeneration insgesamt anlegten. Die hat die vermeintliche Ursachenforschung nach Erfurt vor allem als Angriff auf sich selbst erlebt. Counterstrike ist das Schachspiel dieser Generation. Gymnasiasten, Studenten, IT-Spezialisten spielen es, 500.000 in Deutschland. Über 2.500 E-Mail veranlassten die FAS sich an die "lieben User" zu wenden, die das Spiel nicht erkannten, das die Zeitung zwei Tage nach Erfurt als "Counterstrike" und "Software für das Massaker" präsentierte.

Gelassenheit kam in den letzten Tagen vor allem aus der Gruppe der Counterstriker selbst: Der Teilnehmer einer LAN-Party in Stralsund wünschte sich einfach "Toleranz gegenüber Randgruppen, wie zum Beispiel Jugendliche oder Ausländer". ("Ihr kennt uns nicht", Berliner Zeitung v. 8./9.5., S. 3)

K.-Peter Gerstenberger (47 Jahre; der Autor ist Leiter der USK, die seit acht Jahren die Alterskennzeichen für Computerspiele vergibt) 
 

Quelle: GamesMarkt.de  

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Viele Gruesse
Peter C. Krell



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