julia_lazarus on 18 Aug 2001 04:45:14 -0000 |
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[rohrpost] fwd:Italienische Filmemacher dokumentieren den G-8-Gipfel: Bericht bei 3sat |
http://www.3sat.de/kulturzeit.html Die letzten Tage von Genua Italienische Filmemacher dokumentieren den G- 8-Gipfel Gipfel-Tiefpunkte Separatistisch, nationalistisch, rechtsradikal Genua im August: Die Straßen sind menschenleer, flirrende Hitze, die Luft lässt einen kaum atmen. Eigentlich wie immer. Doch diesmal ist irgendetwas schief gelaufen: Die Demonstranten blasen zum Sturm auf den G-8-Gipfel, und die Polizei will die Regierungschefs schützen - gegen die gefährlich schwarz gekleideten Anarchisten. In den Augen der Globalisierungsgegner aber sind die Politiker schon lange keine Entscheidungsträger mehr. Die wichtigen Entscheidungen treffen multinationale Industriekonzerne. Ein unglaublicher Zustand - auch für Carlo Giuliani. Wut und Angst auf beiden Seiten. Die Stimmung ist aufgeheizt. Plötzlich Panik, zwei Schüsse fallen und treffen Carlo Giuliani ins Gesicht. Die Sicherheitskräfte, so der italienische Innenminister später, hätten sich mit beispielhafter Würde verhalten. Doch Genua ist Gegenstand für die Untersuchungsrichter geworden. Auch weil die tatsächliche Abwesenheit des Rechtsstaates tausendfach gefilmt und fotografiert worden ist: vom Fernsehen, von Videofilmern und vom Cinema Italiano; von 36 Regisseuren und 28 Kamerateams. Einer davon, der Regisseur Citto Maselli, berichtet von seinen Erfahrungen: "Es war schrecklich. Noch während der ersten,der friedlichen Demonstration, konnten wir eine Szene drehen, wo Carabinieri ein Maschinengewehr auf das Dach ihres Einsatzwagens montierten - und das bei einem Fest". Der erste Auftritt des neuen "Movimento", wie die friedlichen Globalisierungsgegner seit Seattle in Italien heißen, am 19. Juli: es geht bunt, vielfältig und lustig zu, die charmante Premiere einer ernstzunehmenden Minderheit. Alternative, katholische Pfarrer,Basisdemokraten gehören dazu. Der Filmemacher Ettore Scola erzählt zum Beispiel von französischen Kommunisten oder auch griechischen Umweltschützern, die die "Black Blocks" als "Faschisten" beschimpften. Das alles wollten die Regisseure des Cinema Italiano dokumentieren. 300 Stunden Bildmaterial "Die Idee, den G-8-Gipfel zu filmen, hatte Citto Maselli", berichtet der Produzent Mauro Berardi. "Es gelang ihm, alle italienischen Regisseure und Kameramänner zu begeistern, die an dieser Problematik interessiert sind. Sie waren sofort Feuer und Flamme. Und konnten es gar nicht erwarten, mit den Dreharbeiten anzufangen. Wir hatten zum Beispiel Probleme mit der Unterbringung, aber alle passten sich den schwierigen Umständen an. Keiner zeigte irgendwelche Allüren oder war launisch, wie Regisseure das ja manchmal sind. Im Gegenteil, sie waren fast dankbar, als ob sie auf einmal wieder jung geworden wären. Sie waren nicht zu bremsen und stürzten sich ins Getümmel." Im Herbst soll der kollektive Film in die italienischen Kinos kommen, wenn es bis dahin gelingt, die knapp 300 Stunden Bildmaterial zu schneiden. "Ein Fest hätte es werden sollen, ein Fest, das wir mit unserem Film dokumentieren wollten", erklärt Regisseur Mario Balsamo die ursprünglichen Pläne. Er war sehr beeindruckt von der positiven Stimmung in Genua, die überhaupt nicht idealistisch oder romantisch gewesen sei, sondern sehr konkret, mit klaren Ideen und Projekten. Und Vorschlägen, wie jeder im persönlichen Bereich an einer weltweiten Kampagne gegen die negativen Auswirkungen der Globalisierung mitwirken könne. Darin sieht er sogar ein mögliches Ende von Politikverdrossenheit und Apathie. Doch mit der Eskalation der Gewalt änderten sich die Pläne: "Schon am 2. Tag unseres Aufenthaltes mussten wir unsere Filmidee radikal ändern", erinnert sich Ettore Scola. "Plötzlich waren wir mit einer ganz anderen Geschichte konfrontiert. Wir hatten auf einmal zwei Handlungsstränge. Auf der einen Seite das 'Movimento', diese wunderbare neue Protest-Bewegung, und auf der anderen Seite die Gewalt. Eigentlich waren wir nach Genua gekommen, um eine Art Liebesfilm zu drehen, aber vor unseren Augen war aus einer Liebesgeschichte auch eine Geschichte der Gewalt geworden." Symbol der Repression "Viva il Duce" oder "Uno due tre, viva Pinochet" lauteten die zynischen Schlachtrufe der Polizei in den Kasernen. In Genua sollten sie nicht nur für Ordnung sorgen, sondern Angst und Schrecken verbreiten und vor den laufenden Kameras ihre unerbittliche Härte zur Schau stellen. "Der G-8-Gipfel", so Ettore Scola, "das war vielleicht der wichtigste Sieg der neuen Rechten. Es ist ihr gelungen, die Distanz zwischen der Polizei, die für Sicherheit sorgen sollte, und den jungen, jetzt endlich wieder politisch interessierten Menschen, in einen tiefen Abgrund zu verwandeln. Der Polizist wurde wieder zum Symbol der Repression." Unter den Tausenden der digitalen Kameras filmte eine die Szene, in der ein Zivilagent der italienischen Polizei in voller Aktion zu sehen ist.Den Ausschnitt speisten Dokumentaristen ins Internet ein. Dort findet man auch unabhängige, unzensierte Informationen, auf die zum Beispiel auch die römische Tageszeitung "il manifesto" - unabhängig und links -zugreift. Der Journalist Valentino Parlato von "il manifesto" ist überzeugt, dass Italien ein heißer Herbst bevorsteht. Die italienische Regierung sei zwar stark,aber nur im Parlament. In der Gesellschaft sei sie es nicht. Viele leere Versprechen der Regierung könnten leicht Massendemonstrationen auslösen: "Wenn das Verhalten des Staates in Genua als Modell gelten kann,dann wird im politischen Handeln ein enormer Rechtsruck stattfinden." Sommer in Rom, in Mailand, in Florenz, Bologna oder Neapel - überall ist Genua. In den gesellschaftlichen Gegenbewegungen, zum Beispiel dem "Movimento", den Globalisierungsskeptikern, wird nachgedacht: über die Exzesse der Polizei, über die Politik der Berlusconi-Regierung und über Strategien, um sich vor Unterwanderungen und Instrumentalisierungen zu schützen. Italien steht vor einer schwierigen Gratwanderung zwischen politischen Forderungen und gesellschaftlichen Bedürfnissen. http://www.3sat.de/kulturzeit.html _______________________________________________ Tour mailing list Tour@no-racism.net http://mailman.t0.or.at/mailman/listinfo/tour Noborder Nonation Noprison http://no-racism.net/nobordertour -- Aufgepasst - jetzt viele 1&1 New WebHosting Pakete ohne Einrichtungsgebuehr + 1 Monat Grundgebuehrbefreiung! http://puretec.de/index.html?ac=OM.PU.PU003K00736T0492a ------------------------------------------------------- rohrpost - deutschsprachige Liste fuer Medien- und Netzkultur Archiv: http://www.nettime.org/rohrpost Info: http://www.mikro.org/rohrpost Ent/Subskribieren: http://post.openoffice.de