francis on 13 Feb 2001 16:02:33 -0000 |
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[rohrpost] 3 minutes of theory - datenfäulnis |
Datenfäulnis In ihrem Text "The chickens have come to the roast" schreiben Matthew Fuller und Geert Lovink im August 1999: "Vast areas of the Net lack even basic levels of interactive vitality. Lonely servers are either busy with themselves, or decay, neglected, forgotten, see their tragic counters." Sie beschreiben, wie im Zuge der Verwahrlosung Unmengen an Datenmüll, der nicht mehr gebraucht wird, entsteht und illustrieren dies mit den Worten "forgotten hotmail-accounts" und "wastelands of html-structures". Ein ähnliches Phänomen schildert William Gibson bereits 1996 in seinem Roman "Idoru". Dort sind im Cyberspace zurückgelassene Datensammlungen einem künstlichen Fäulnisprozeß unterworfen, der sogenannten 'Bitrot - Datenfäulnis'. Bitrot visualisiert zum einen den Alterungsprozeß innerhalb einer virtuellen Realität und schafft zum anderen Kapazitäten für neue Daten. Innerhalb dieser HTML-Wastelands haben sich HackerInnen ihre Freiräume geschaffen, indem sie den Datenraum nach innen neu strukturieren, der nach aussen nur ein Haufen Datenmüll erscheint. Sie simulieren Bitrot nach aussen, um sich im Inneren in Temporären Autonomen Zonen einzurichten. Das Konzept der Temporären Autonomen Zone ursprünglich von Hakim Bey 1991 formuliert, findet auch in Gibsons aktuellem Buch "All tomorrows parties" seine würdige Fortsetzung. Der Begriff der Bitrot taucht des weiteren im "Hackers Dictionary" auf. Das Hackers Dictionary wurde von Raphael Finkel 1975 in Stanford ursprünglich als "Jargon File" angelegt und hat sich inzwischen aus dieser losen Sammlung von Hackerslang zu einer 2 MB großen Datensammlung über die Hackerkultur entwickelt. In dieser Definition von Bitrot wird ein uns allen bekanntes Phänomen beschrieben. Man hat ein oder zwei Programme geöffnet, die nichts rechnen müssen und verläßt den Computer für eine längere Zeitspanne. Wenn man zurückkehrt ist der Rechner ohne offensichtlichen Anlaß abgestürzt. Man geht davon aus, daß evtl. einzelne Bits im Prozessor z.B. durch die Einwirkung kosmischer Strahlung oder durch Stromschwankungen durcheinandergeraten bzw. wegfaulen, nachgewiesen ist dies jedoch nicht. Wir erleben hier also Datenverlußte durch Fäulnisprozesse und so sehr sie im Moment noch ungewollter Nebeneffekt sind, können sie eines Tages lebenswichtig werden, wenn nämlich alle physischer Raum von Speicherressourcen besetzt ist, wenn selbst die Mauern unserer Häuser mit Silizium durchdrungen sind. Es gibt noch eine weitere Möglichkeit auf diese Situation zu reagieren. Seit einem Jahr beschäftige ich mich mit Schwarzen Löchern im Internet und sollte es uns gelingen ein derartiges aufzutreiben oder auch selbst zu installieren bzw. hervorzurufen könnten einige Problem der Datenüberflußgesellschaft gelöst werden. francis hunger ---------------------------------------------------------- # rohrpost -- deutschsprachige Mailingliste fuer Medien- und Netzkultur # Info: majordomo@mikrolisten.de; msg: info rohrpost # kommerzielle Verwertung nur mit Erlaubnis der AutorInnen # Entsubskribieren: majordomo@mikrolisten.de, msg: unsubscribe rohrpost # Kontakt: owner-rohrpost@mikrolisten.de -- http://www.mikro.org/rohrpost