b_books on 7 Jan 2001 23:49:53 -0000
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EIGA-SAI-Filme aus Japan
11.-17. Januar im
Central-Kino Januar 2001
Rosenthalerstraße 39, Berlin-Mitte Tel.: 28 59 99
73
In der Woche vom 11.-17.
Januar veranstaltet das Projekt “Vom Techno-Orientalismus zum Reich
der Sinne - Zur Darstellung von Sex und Gewalt in japanischen Filmen”
der Humboldt - Universität in Zusammenarbeit mit dem Central-Kino eine
Reihe mit japanischen Filmen.
Das Projekt beschäftigte sich v.a. mit den sogenannten Pink-Filmen, die
sehr explizit die Verknüpfung von Sex und Gewalt bearbeiten. Viele
Regisseure beginnen mit diesen romantischen Pornos, die in Japan ein
breites Publikum finden und das grösste Marktsegment bilden ihre
Filmarbeit.
Die Pink-Filme bilden in Japan also ein eigenständiges und angesehenes
Genre. Diese Filme wurden in den letzten Jahren jedoch grösstenteils
direct to video produziert. Aus diesem Grund und weil es zu fragwürdig
schien diese Filme in Berlin zu zeigen, ohne die spezifisch “japanischen”
Produktionsbedingungen zu thematisieren, zeigen wir keine Auswahl an
Pink-Filmen. Eine dermaßen dekontextualisierte Filmreihe würde genau über
ein exotistisches Trash-Begehren funktionieren, das gerade vermieden
werden soll.
Die Filmreihe umfaßt nun sehr unterschiedliche Genres, Yakuza - Film,
Horrorthriller, Samurai - Film, jidai- und gendaigeki (historischer bzw.
Gegenwartsfilm), die auf unterschiedliche Weise mit der Pink-Film-Kultur
korrespondieren, aber das Potential haben einer europäischen
Klischeeisierung zu entgehen.
Täglich um 20 Uhr werden folgende Filme gezeigt:
Do, 11.1. Shinjuku dorobo nikki
Tagebuch eines Shinjuku-Diebes (1969)
Regie: Nagisa
Oshima
Darsteller: Tadanori Yokoo, Rie Yokoyama, Moichi Tanabe
Themen dieses Films, der zu den wichtigsten von Oshimas Arbeit zählt,
sind das Verhältnis von sexueller und gesellschaftlicher Befreiung, sowie
die Feminisierung des Männerbildes. Der Titel des Films ist angelehnt an
Jean Genets “Tagebuch eines Diebes”- die Hauptfigur Birdey Hilltop ist
ein Buchdieb. Er spielt Theater und lebt in Tokios Stadtteil Shinjuku,
dem damaligen Zentrum der Jugend - und Intellektuellenszene. Der Film
wechselt zwischen semi-fiktionalem Dokumentarfilm und “realistischem”
Spielfilm. Die parallel geschnittenen Handlungen an den Schauplätzen
Theaterbühne und Strasse (Dokumentaraufnahmen von Studentenprotesten)
assoziieren, dass beides als revolutionäre Aktivität begriffen werden
kann und subvertieren zugleich die Unterscheidung von Fiktion und
Realität.
Nagisa Oshima, Jahrgang 1932, ist hierzulande vor allem durch “Das
Reich der Sinne” (1976) bekannt geworden, der aus Zensurgründen in Japan
nie vollständig gezeigt wurde. Oshima gehörte mit Filmen wie “Nackte
Jugend” (1960) und “Nacht und Nebel über Japan” (1960) zu der japanischen
Nouvelle Vague. In vielen seiner Filme, die er in den sechziger und
siebziger Jahren drehte, untersucht Oshima die Beziehungen zwischen Sex,
Leben und Tod. Sexualität wird in diesen Filmen als Terrain begriffen,
das sich außerhalb und in Konflikt mit gesellschaftlichen Konventionen
befindet. In “Gohatto” thematisiert er zum ersten Mal männliche
Homosexualität im Kontext gesellschaftlicher Normen.
Fr, 12.1.:
Gemini (1999)
Regie:Shinya
Tsukamoto
Darsteller: Masahiro Motoki, Ryo, Yasutaka Tsutsui
Dieser Horrorthriller des “TETSUO”- Regisseurs Shinya Tsukamoto,
angesiedelt im Tokyo des Jahres 1910, ist die Verfilmung einer
Kurzgeschichte Rampo Edogawas, dem “japanischen E.A. Poe”. Wie es sich
für eine gothic story gehört, gehen an einem surrealen Schauplatz
unheimliche Dinge vor sich. Der erfolgreiche Chirurg Dr.Yukio Daitokuji
wird mit einer Reihe bizarrer Morde konfrontiert. Schließlich wird er
selbst zum Opfer und seinem Mörder gelingt es dank zwillingsgleichem
Aussehen dessen Identität anzunehmen. Gemini entwickelt sich zu
einem exzessiven Psychogramm über den mystischen Kampf zweier ungleicher
Brüder. Tsukamotos Faszination für Rache, Doppelgänger und männliche
Gewaltausbrüche realisiert er in diesem Film in einer alptraumhaften,
unwirklichen und überstilisierten Szenerie.
Shinja Tsukamoto produzierte mit “TETSUO: The Ironman. (1995)”
einen Cyberpunk-Klassiker. Den in schwarz-weiß gedrehten Film über die
Metamorphose aus Fleisch und Metall, Mensch und Maschine drehte er 1997
als “TETSUO II: Body Hammer.” in einer neuen Version, die in Deutschland
auf dem Index steht. Weitere Filme des Regisseurs sind “Tokyo Fist”
(1995) und “Bullet Ballet” (1998).
Sa, 13.1.: ODISHON
Audition (1999)
Preview vor dem Kinostart am 25.1. 2001
Regie: Takashi Miike
Darsteller: Ryo Ishibashi, Myuki Matsuda, Eihi Shiina
Ein freundlich - romantischer Liebesfilm; der sich im weiteren Verlauf
gegen seinen Helden wie gegen seine Zuschauer wendet, denn plötzlich ist
nicht mehr klar, was Realität, was Wunsch-, was Alptraum ist.
Der Witwer Aoyama lernt durch ein inszeniertes Casting die zierliche
Asami kennen, die mit Männern nicht gerade zimperlich umgeht. Nach etwa
zwei Dritteln seiner Laufzeit entwickelt sich das Werk von Takashi Miike
zu einem unvorstellbar brutalen Horrorthriller, in dem ein schwer
verstümmelter Ex - Liebhaber Asamis in einem verschnürten Sack gehalten
und nur mit Erbrochenem ernährt wird, wo Köpfe und Füße mit Sägedraht
abgeschnitten werden und Männer Akkupunkturnadeln unter die Augen gerammt
bekommen. Hard stuff.
Takashi Miike führte seit seinem Debüt-Film “Lady Hunter” 1991 bei
dreißig Filmen Regie, für sechs Filme, vor allem Yakuza - Filme, schrieb
er auch das Drehbuch. Das Central - Kino zeigt am 4. Januar einen von
Takashis Yakuza - Filmen: “Dead or Alive” ebenfalls aus dem Jahr
1999.
So, 14.1.: Gohatto
(1999)
Regiesseur: Nagisa
Oshima
Darsteller: Takeshi Kitano, Ryuhei Matsuda, Yoichi Sai
Nagisa Oshimas erster Film seit 1986 beschäftigt sich mit klassischen
Samuraithemen, deren dominante Konventionen hier dekonstruiert
werden.
Als eine Gruppe Samurais neue Mitglieder rekrutiert, kommt es zu einem
amourösen Ränkespiel und einer Reihe Morde. Mit dabei ist wieder Takeshi
Kitano, der auch schon in Oshimas “Merry Christmas, Mr. Lawrence” (1983)
eine Hauptrolle spielte, und diesmal einen schwulen Samurai
darstellt.
Beim Filmfestival in Cannes wurde dieser Film mit großer Begeisterung
aufgenommen.
Mo, 15.1.: Junk Food
(1997)
Janku Fudo
Regie: Masahi Yamamoto
Darsteller: Miyuki Ijima, Akifumi Yamaguchi, Keigo Naruse
Musik: DJ Krush, Ko Machida
In Junk Food treffen
in einer komplexen Komposition eines einzigen Tages verschiedenste
Realitäten aufeinander: Eine blinde, ältere, alleinlebende Frau, die
junge drogenabhängige Miyuki und der gebürtige Pakistaner Cawl sind nur
einige ProtagonistInnen in dieser Geschichte über Drogen, Sex und Tod,
erzählt in einem kühlen und distanzierten Stil. Masahi Yamamotos Film
fügt sich in den eher gewalttätigen Momenten des Films in den derzeitigen
Trend von japanischen Filmen, die in deutschen Kinos zu sehen waren, wie
“Pornostar” oder “Yentown”. Dabei schildert er auf unterhaltsame und
selbstverständliche Art Lebensstile, die von unterschiedlichen nationalen
Herkunftsorten geprägt sind, ohne eine Multi - Kulti - Show zu
inszenieren.
Funky-urbaner Soundtrack von DJ Krush und Ko Machida.
Masashi Yamamoto, Jahrgang 1956, begann 1979 Super - 8 - Filme zu
drehen. 1982 entstand sein erster Spielfilm “Karneval der Nacht”. In den
Achtzigern produzierte er außerdem Musikplatten und organisierte
Musikfestivals.
Di, 16.1.: Kamikaze Taxi
(1995)
Regie: Masato Harada
Darsteller: Yukusho Koji, Takahashi Kazuya, Kataoka Reiko
Ähnlich wie Takashi Miike in
einigen seiner Filme den japanische Staat als kriminelle Vereinigung
erscheinen läßt, kritisiert auch Masato Harada in Kamikaze Taxi
die Verknüpfung der japanischen Staatsmacht mit Yakuza - Strukturen. Ein
ultranationalistischer Staatsminister vertritt im Fernsehen
gegenüber einer Feministin “Frau an den Herd” Parolen, während er sich
über seine Yakuza - Freunde Prostituierte organisiert, die er dann schwer
mißhandelt. Tatsuos Freundin wird von Yakuzas kurzerhand umgelegt, weil
sie sich gegen solche Arbeitsbedingungen wehrt. Tatsuo will sie nun in
einer Kamikaze - Aktion gegen Staat und Yakuza rächen. Behilflich ist ihm
ein peruanischer Taxifahrer japanischer Herkunft anhand dessen Figur der
Regisseur die gesellschaftliche Stellung von MigrantInnen in Japan und
die Bedeutung von nationalem Ehrgefühl schildert.
Masato Harada, Jahrgang 1949, arbeitete, bis er 1979 seinen ersten
Spielfilm drehte, als Filmkritiker. Seine Filme “Heartbreak Yakuza”,
“Gunhead” und “Bounce to Goals”, in dem er sich ebenfalls mit der
Situation von Prostituierten auseinandersetzt, haben nicht nur in Japan
Kultstatus. Sein neuester Film “Jukabu” (“Spellbound”) wurde auf der
Berlinale 2000 gezeigt.
Mi, 17.1.: Kizzu ritan
Kids Return (1996)
Regie: Takeshi
Kitano
Darsteller: Ando Masanobu, Kaneko
Ken
Kids Return beginnt
mit einer Manzai-Aufführung auf einer der kleinen Bühnen in Akasuka, wo
Takeshi Kitano als Beat Takeshi zusammen mit einem Freund selbst früher
als Komikerduo auftrat. Die ehemals besten Freunde Shinji und Masaru
treffen sich nach Jahren zufällig wieder. Nachdem sie ihre Schulzeit
gemeinsam mit kleinen und grösseren Streichen verbracht haben, trennen
sich ihre Wege. Während sich Masaru einer Yakuza-Gang anschließt, strebt
Shinji eine Boxerkarriere an, beide haben allerdings wenig Erfolg mit dem
was sie machen.
In dem Film werden zwei für Kitano typischen Erzählformen kombiniert: Die
elliptische Erzählform von Filmen wie “A Scene at the Sea”(1991) und die
Fokussierung auf plötzliche männliche Gewalt wie in “Violent Cop”(1989)
oder “Sonatine”(1993)
Takeshi Kitano, geb. 1948, begann mit “Violent Cop” als Regisseur
zu arbeiten. Er drehte noch einige weitere Yakuza-Filme: “Sonatine” und
Boiling Point(1990) in denen er auch die Hauptrolle spielte. Weitere
Filme: “Getting Any?”(1995), “A Scene at the Sea”, “Hana-Bi” (1997) und
“Kikujiros Sommer” (1999). Sein neuster Film “Brother” läuft im ebenfalls
im Januar in den Kinos an. Neben seiner Regiearbeit arbeitet er als
Talkmaster und schreibt Kolumnen in Tageszeitungen. Sein Roman “Die
Geburt eines Sektenpriesters” wurde 1993 von Kyoso Tanjo verfilmt. Neben
einer Rolle in diesem Film spielte Takeshi Kitano u.a. in “Tokyo Eyes”
(1998) und “Gonin” (1995).