Tilman Baumgaertel on 27 Oct 2000 11:16:25 -0000


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[rohrpost] Big Broterh Award


Zur Kenntnisnahme. Leider ist beim Kuerzen irgendwie verloren gegangen,
dass auch GMX und Apache einen Big-Brother-Award bekommen haben.
Nachzulesen auf: 

www.bigbrotheraward.de

Gruesse, 
Tilman 


Überwachen und bespitzeln

"Big Brother Award" für die Verletzung des Datenschutzes geht an Berlins
Innensenator Werthebach

Tilman Baumgärtel

Über diesen Preis dürfte sich der Berliner Innensenator Eckart Werthebach
nicht freuen: den Big Brother Award, der ihm gestern in Abwesenheit
verliehen worden
ist, erhalten Menschen, Institutionen und Firmen, die sich auf besondere
Weise um die Verletzung der Privatsphäre Dritter verdient gemacht haben.
Oder, anders
gesagt: die ihre Mitbürger überwachen, bespitzeln und Daten über sie
speichern, die sie nichts angehen. 

Die Begründung für die Auszeichnung: Werthebach habe im September dieses
Jahres die Beschaffung von neuen Geräten für Telefonüberwachung im Wert von
drei
Millionen Mark beim Berliner Abgeordnetenhaus beantragt. Dafür sollen 75
Aufzeichnungs- und 55 Auswertungsgeräte angeschafft werden. Bis 2003 soll neue
Abhörausstattung für weitere 4,7 Millionen Mark angeschafft werden. Die
Jury schreibt zur Begründung: "Die undifferenzierte Forderung nach immer mehr
Telefonüberwachung stellt eine massive Gefährdung des Fernmeldegeheimnisses
dar." 

Die Auszeichnung werde Werthebach "exemplarisch" verliehen, heißt es in der
Erklärung der Jury weiter. Auch in anderen Bundesländern gäbe es
Bestrebungen, die
Möglichkeiten der polizeilichen Telekommunikationsüberwachung "massiv
auszubauen." 

Nicht nur Verdächtige 

Werthebachs Vorhaben gehe jedoch weiter. Er will in der Bundeshauptstadt
auch so genannte IMSI-Catcher einsetzten, mit denen Handytelefonate abgehört
werden können. Dabei "catchen" die Geräte nicht nur die Telefongespräche
von Verdächtigen, sondern auch die Handynummer von Unbeteiligten, die sich
zufällig
gerade in der Nähe befinden. Werthebach hat für die Anschaffung von
IMSI-Catchern für das kommende Jahr eine halbe Million Mark beantragt. 

In anderen Bundesländern gibt es die IMSI-Catchern nicht - unter anderen
deswegen, weil die Geräte auch eine Störung des Mobilfunkverkehrs
verursachen. Die
Legalisierung des Einsatz von IMSI-Catchern wurde 1997 vom Gesetzgeber
abgelehnt. Der Bundesbeauftrage für den Datenschutz nannte die Technologie
damals
einen "eklatanten Verstoß gegen das Recht auf unbeobachtete Kommunikation". 

Hanns-Wilhelm Heibey, Stellvertreter des Berliner Datenschutzbeauftragten,
war über die IMSI-Überwachung in Berlin, durch die er erst durch den Big
Brother
Award erfahren hatte, "sehr überrascht" und kündigt an, dass seine Behörde
deswegen tätig werden wolle: "Der Innensenator hat sicherlich andere
Prioritäten als den
Schutz der informellen Selbstbestimmung." 

Werthebachs Kommentar zum Big Brother Award fiel indes knapp aus: "Nicht
jeden Preis, den man verliehen bekommt, hat man auch verdient." Die
Einladung zu
der Preisverleihung in Bielefeld schlug er aus. 

Dabei hätte er sich dort in prominenter Gesellschaft wiedergefunden:
Hartmut Mehdorn wurde für das "Sicherheitskonzept" der Deutschen Bahn AG
ausgezeichnet,
das unter anderem eine flächendeckende Videoüberwachung von 42 Bahnhöfen in
ganz Deutschland vorsieht. Die Fahrgäste der Deutschen Bahn wüssten in der
Regeln nicht, dass sie auf dem Bahnhof gefilmt würden, begründete die Jury
ihre Entscheidung, da die Kameras versteckt angebracht seien. Außerdem sei
für die
Betroffenen undurchschaubar, wer für die Überwachung zuständig sei: die
Bahn, der Bundesgrenzschutz oder der Sicherheitsdienst der Deutschen Bahn. 

Den Big Brother Award in der Kategorie "Business und Finanzen" holte sich
das Stuttgarter Unternehmen Payback, das ein Bonuspunktesammelsystem anbietet.
Das funktioniert ähnlich wie früher die Rabattmarkenheftchen: Wer bei einem
der Unternehmen, das mit Payback kooperiert, einkauft, erhält
"Payback-Punkte", die
auf einer Art Kreditkarte gespeichert werden. Ab einer bestimmten Summe
kann man sich dieses Geld aufs eigene Konto überweisen lassen. Zu den
Firmen, die sich
an dem System beteiligen, gehören unter anderem AOL, Consors, DEA,
Europcar, der Kaufhof, die UFA-Kinos und DM-Drogeriemärkte. 

Unerwünschte Werbepost 

Was wie ein Dienst am Käufer wirkt, ist jedoch eine Methode, um
Informationen über Kunden zu erheben, an die man sonst nicht kommen würde.
Payback würde
Daten sammeln, die "zu einer Rabattgewährung nicht nötig, aber zum
Erstellen von Konsum- und Persönlichkeitsprofilen geeignet sind", heißt es
in der Begründung
der Preis-Jury. 

Die beteiligten Unternehmen könnten die so gewonnen Daten für unerwünschte
Werbesendungen und für ihre Marktforschung nutzen. Den meisten Nutzern sei
nicht
bekannt, dass ihre Daten zu kommerziellen Zwecken verwertet würden. 

Für sein "Lebenswerk" wurde das Bundesverwaltungsamt in Köln ausgezeichnet.
Der Grund: die Behörde führt seit 1953 ein "Ausländerzentralregister", in dem
Angaben zu mehr als zehn Millionen Personen gespeichert sind, obwohl die
Erfassung von nichtdeutschen EU-Staatsangehörigen gegen geltendes Europarecht
verstößt. 

Ein Preis für Schnüffler // Der Big Brother Award wird in diesem Jahr zum
ersten Mal in Deutschland verliehen. Ihn erhalten Personen, Unternehmen und
Institutionen, die sich besonders um die Beeinträchtigung der Privatsphäre
anderer verdient gemacht haben. "Der Spiegel" nannte die Auszeichnung einen
"Preis für
Spitzel". 

In England und den USA wird der Preis bereits seit einigen Jahren vergeben.
Die erste Verleihung in Deutschland fand am Donnerstag in Bielefeld
zeitgleich mit den
Verleihungen in Österreich und der Schweiz statt. 

Vergeben wird der Preis vom Verein zur Förderung des Bewegten und
Unbewegten Datenverkehrs (FoeBUD). In der Jury saßen u. a. Thilo Weichert, der
Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, und "Berliner Zeitung"-Autor
Patrick Goltzsch. 

Der Preis (oben) wurde von Peter Sommer gestaltet und zeigt eine Passage
aus Aldous Huxleys "Brave New World" in Digitalcode. 

Big Brother Award www. big-brother-award. de BLZ/LAUTENSCHLÄGER, AP/BIMMER
Zwei Männer, eine "Auszeichung": Innensenator Wer- thebach und
DB-Chef Mehdorn erhalten den Big Brother Award. 


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