Andreas Broeckmann on 21 Aug 2000 07:49:41 -0000


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[rohrpost] VIPER Basel - Quick Times, 25. - 29. Oktober 2000


VIPER Symposium - Quick Times
27. und 28. Oktober 2000

Das Janusgesicht der Informationstechnologie: Sie zielt auf Effizienz und
ist zugleich einer der Top-Zeitvernichter. Wie kaum ein anderer Faktor
trägt sie zu einer allgemeinen Beschleunigung sämtlicher Lebensbereiche
bei. In zunehmendem Masse gestaltet die Informationstechnologie weltweit
die Kommunikation und verändert unser Verhältnis zu Raum und Zeit.

Im Cyberspace entstanden ungewohnte Metaphern wie beispielsweise
"Datenautobahn" und "Echtzeit". Der Fachbegriff "Echtzeit" ist
vielbenutztes Schlagwort - alles soll sogleich und zugleich geschehen. Time
is Money. Zeitsparen ist Trend. Die Lichtgeschwindigkeit wird bereits als
absolute Grenze in Frage gestellt und Zeitreisen scheinen theoretisch nicht
mehr undenkbar zu sein. Die Möglichkeiten neuer Speichermedien erwecken den
Eindruck, alles sei jederzeit verfügbar. Und dabei geht die Beschleunigung
des Informationsaustausches einher mit der Beschleunigung des Vergessens.
Ist Geschichtsverlust und Flüchtigkeit der Preis für eine "neue
Zeitsouveräntität"?

VIPER interessiert die unvoreingenommene Erkundung von Paradigmenwechseln.
Unter dem Titel "Quick Times" werden bei VIPER 20 künstlerische und
wissenschaftliche Experimente mit Raum, Zeit und Geschwindigkeit, mit
Verlangsamung und mit Beschleunigung vorgestellt. VIPER 20 beschäftigt sich
mit der Gestaltung von Kunst, Kultur und Gesellschaft und fragt: Welche
Rolle spielt künstlerisches Schaffen bei diesen fundamentalen
Veränderungen? Wie reagieren Medienkünstler auf die sich verändernden
gegenseitigen Bezüge von Raum, Zeit und Geschwindigkeit? Wie verändert sich
die Sprache der Kunst, wenn aus dem bisherigen topographischen Raum-Bild
ein dynamisches Zeit-Bild entsteht?

Namhafte internationale KünstlerInnen, KulturtheoretikerInnen und
WissenschaftlerInnen beleuchten in einem interdisziplinären, öffentlichen
Symposium das Thema "Quick Times".

Veranstaltungsort / Venue:
Kleine Bühne, Theater Basel
Datum / Date:
Freitag, 27. Oktober, 19:30 / Friday, October 27, 7:30 p.m.
Samstag, 28. Oktober, 10:00 bis 18:00 / Saturday, October 28, 10 a.m. to 6 p.m.
Genaues Programm / Program:
ab Ende August  / available end of August at  www.viper.ch
Teilnahmegebühr / Fee:
Freitag / Friday CHF 25.- (Reduction CHF 5.- with PASS)
Samstag / Saturday CHF 45.- (Reduction CHF 5.- with PASS)
beide Tage / both days CHF 60.- (Reduction CHF 10.- with PASS)
Anmeldung / IInscription:
VIPER, P.O. Box, 4002 Basel, Switzerland,
Phone +41(0)61 283 27 00 , Fax +41(0)61 283 27 05, info@viper.ch, www.viper.ch

ReferentInnen

Jürgen Ebert (Berlin, Deutschland)
THEORETISCHER FILM.
ZUR BEGRIFFSGESCHICHTE DES LEBENDEN BILDES
Geisteswissenschaftler, Autor und Gründer des Instituts für Theoretischen
Film, Berlin

Von der Filmtheorie zum theoretischen Film: Transdiziplinäres Denken. Das
theoretische Dreieck: Balász, Arnheim, Kracauer. Die theoretische Fiktion
des "klassischen" Kinos und die neue Thematik der Selbstreferenz der Bilder
und Töne: Genese des Simulacren. Das weite Feld der Filmsemiotik: Metz, der
heilige Jean-Luc, Deleuze und die Folgen. Die drei Zeitalter des Kinos
("Furien des Verschwindens"). Was "Cyberspace" wirklich bedeutet. Historik
und Logik des Lebenden Bildes.

Karlheinz A. Geissler (München, Deutschland)
ES SIND NICHT ALLE ZEITEN GLEICH
Professor der Pädagogik, Universität der Bundeswehr, München

Das "Reich der Zeit" wird von Geissler vor allem unter dem Aspekt der
Pädagogik erforscht. Geissler - zusammen mit Kollegen auch Mitbegründer der
"Zeit-Akademie" an der Evangelischen Akademie Tutzing (Bayern) - erläutert
die Entstehung des Phänomens Zeit, gibt einen Überblick über verschiedene
Zeitkonzepte und regt an, über den Umgang mit der Zeit nachzudenken.

Marina Grzinic (Ljubljana, Slowenien)
DAS VIRTUELLE BILD
Medien-Theoretikerin, Kuratorin, Philosophisches Institut, Ljubljana

Das virtuelle Bild ist zunächst und vor allem die Umkehr der von Deleuze
aufgestellten Basisbeziehung von Zeit und Raum: Statt der räumlichen
Wiedergabe von Zeit (d.h. Zeit durch Raum), die wir bei dem kinematischen
Bild erleben, ist die These von Marina Grzinic, dass im virtuellen Bild
Raum durch Zeit wiedergegeben wird.

Arthur & Marilouise Kroker (Kanada/USA) *
QUICK-TIME, QUICK-WAR, QUICK-FLESH
Theoretiker der postmodernen Medienkultur, Gründer und Herausgeber von CTHEORY,
Multi-Plattform und Multimedia Zeitschrift: www.ctheory.com/

Die Krokers untersuchen die doppelte Natur von Krieg in der digitalen
Zukunft - virtuellen Krieg und Stammeskrieg. Virtueller Krieg ist schnell
und wird mit einem Spektrum an Waffen aus der neuesten Forschung im
gesamten galaktischen Raum geführt. Stammeskrieg ist langsam und wird in
der alten Sprache von Gewalt am missbrauchten Menschen ausgefochten. Beide
Formen spiegeln den Krieg im digitalen Zeitalter, dessen letztendliches
Ziel die Eroberung der Echtzeit und die totale Überwachung des Körpers ist.

*Special guest of Performance Index


Günter Nimtz (Köln, Deutschland)
MIT ÜBERLICHTGESCHWINDIGKEIT DURCH ZEITFREIE RÄUME:
DAS TUNNELN
Professor der Physik, Universität Köln

Nimtz hat bei Tunnelexperimenten superluminale (=überlichtschnelle)
Geschwindigkeiten nachgewiesen,
sowie die superluminale Übertragung von Signalen, wie z.B. bei der 40.
Sinfonie Mozarts mit mehrfacher Licht-
geschwindigkeit. Tunneln ist ein quantenmechanisches, dem Alltagsleben
fremdes Phänomen. Signale durcheilen den Tunnel ohne Zeit. Durchtunnelte
Barrieren sind also zeitfreie Räume, eine Art Ewigkeit? Superluminale
Signale überholen die Zeit, sie sehen in die Vergangenheit.

Goedart Palm (Bonn, Deutschland)
INFORMATIONSKRIEG UND ZEITHERRSCHAFT
Rechtsanwalt, Autor von zahlreichen Publikationen zur Medien- und Kulturkritik

Information-Warfare, Hacker-Warfare, Cyberwar ... avancierten zu den neuen
Drohgebärden einer umfassenden Informations- und Wahrnehmungsherrschaft
über den Feind. Die neuen Schlachten, ob auf militärischen oder
ökonomischen Feldern, geraten in eine unabsehbare Zeitnotfalle. Wer im
Cyberspace oder auf den Echtzeitmonitoren den Wettlauf gegen das zukünftige
Tempo des Gegners gewinnen will, muss sich dem Paradox stellen, operative
Strategien zu entwickeln, die nicht länger von der Fehlbarkeit menschlicher
Entscheidungen abhängig sind.

Martin Reinhart (Wien, Österreich)
ZEIT.RAUM.FILM
Filmtheoretiker und Techniker

Die neue Technik "tx-transform" vertauscht die Raum- und Zeit-Achsen im
Film. Reinhart erläutert die  faszinierende Technik, die äusserst
erstaunliche Effekte erzeugt und präsentiert zahlreiche Beispiele. Der
Filmkritiker und -theoretiker greift auf sein Knowhow zurück, welches er in
der technischen Leitung von Kurz- und Experimentalfilmprojekten und beim
Bau von Spezialkameras erlangt hat. Gemeinsam mit Virgil Widrich
entwickelte er die (patentierte) Filmtechnik "tx-transform" und produzierte
den gleichnamigen Kurzfilm.

Alexander Rose (Kalifornien, USA)
Designing for Longevity
Geschäftsführer der Long Now Foundation, Kalifornien

The Long Now Foundation erforscht Designprozesse für extreme Langlebigkeit.
Vortrag und Diskussion konzentrieren sich auf das Design der zwei ersten
Prototypen der Stiftung: eine Uhr für die nächsten 10.000 Jahre sowie ein
neues archivarisches Projekt "The Rosetta Disk". Der Prototyp der Uhr
befindet sich im Science Museum in London, ein Prototyp der "Rosetta Disk"
wird beim Vortrag präsentiert.

Lisa Schmitz (Berlin, Deutschland)
ROULETTE
Künstlerin mit vielfältiger Lehrtätigkeit, z.Zt. Artist in Residence,
Kunsthochschule für Medien, Köln

Partikuläre Erfahrungen zum Thema "Quick Times" - Visualisierung und
Wahrnehmung von Raum, Zeit und Beschleunigung - wie intensiv wirken sich
künstlich erzeugte Beschleunigungsprozesse auf unsere Verhaltensweisen aus?
Wie äussert sich das Gefühl des Stillstands, welches durch Prozesse
extremer Geschwindigkeiten hervorgerufen wird? Erfahrungen aus der
Produktion der Medienkunst-Installation "Roulette" - zu sehen bei VIPER 20
in der Medialounge - welche Teilchenbeschleunigungsprozesse in der
Hochenergiephysik vielfältig visualisiert.

Siegfried Zielinski (Berlin / Köln, Deutschland)
ZEIT-MASCHINEN
Kommunikations- und Medienwissenschaftler, Gründungsrektor der
Kunsthochschule für Medien Köln

In einer Situation, die Zeit zum wichtigsten Rohstoff für die Ökonomie, die
Technik, die Kunst erklärt, steht weniger im Zentrum, wie viel oder wie
wenig Zeit wir haben. Wir müssen vielmehr darauf achten, wer über unsere
Zeit und die der anderen verfügt. Das einzig wirksame Mittel gegen die
bittere Melancholie als Grundhaltung gegen-über der Welt ist die (Wieder-)
Aneignung der souveränen Verfügbarkeit über die Zeit. Nur so ist Zukunft
denkbar - als ein permanentes Ding der Unmöglichkeit.

Weitere ReferentInnen sind angefragt.


VIPER 20, 25. - 29. Oktober 2000
20. Internationales Festival
für Film Video und Neue Medien
Festivalzentrum: Theater Basel

VIPER-FORUM
Zum Thema "Quick Times" präsentiert VIPER neben dem interdisziplinären
Symposium eine Reihe von aktuellen CD-ROM- und Internet-Arbeiten
internationaler MedienkünstlerInnen, eine Film- und Videoretrospektive,
Performances und Installationen.

FILM- UND VIDEORETROSPEKTIVE
Die Film- und Videoretrospektive zum Thema "Quick Times" umfasst
exemplarische Arbeiten aus der Filmgeschichte und populäre wie
experimentelle Filme und Videos. VIPER stellt ein Programm vom Umgang mit
der Zeit in der experimentellen Mediengeschichte zusammen - von ersten
Filmexperimenten Vertovs, Ruttmanns und Eisensteins bis zu den QuickTime-
und Flash-Movies von heute. Zur Beschleunigung von Erzählformen im Kino
präsentiert VIPER eine Auswahl von populären Filmen, u.a. The Adventures of
Robin Hood (Michael Curtiz, 1983), The French Connection (William Friedkin,
1971) und eine Trailershow.

PERFORMANCE PROGRAMM
Ein Performance Event bei VIPER 20 ist die multimediale Präsentation von
"Everythingness" von Pablo Helguera (Mexiko/USA):  Eine Verflechtung von
Fiktion und Fakten, von Geschichte und imaginären Visionen der Zukunft. Im
multinationalen Konzern "Everythingness" ist  Zeit eine Ware und
Schnelligkeit ein Instrument der Macht. (Eröffnungsabend, Mittwoch, 25.
Oktober, Nachtcafé)

Weitere Informationen zu "Everythingness" und anderen Performance Events:
ab 28. August auf der Website.

PUBLIKUMSPREIS
Im Zusammenhang mit dem VIPER-Forums-Thema "Quick Times" wird erstmals bei
VIPER ein Publikumspreis vergeben. Bis 1. September 2000 können auf der
VIPER Website QuickTime Movies eingegeben werden.
Jury ist das Publikum. Weitere Infos: www.viper.ch.


DAS MEDIENKUNST-FESTIVAL VIPER
PRÄSENTIERT AUSSERDEM:
Internationale Wettbewerbe für Film, Video und neue Medien (CD-ROM,
Internet); die Schweizer Werkschau Medienkunst, Panels, TV-Special,
Medialounge, und andere Projekte von Vernetzung.

VIPER
Künstlerische Leitung: Conny E. Voester, Geschäftsleitung: Sandra L. Schafroth
KuratorInnen "Quick Times"-Programm: Linda Cassens / Performance-Index
(Mitarbeit Symposium und Performance Programm), Adele Eisenstein (Film- und
Videoretrospektive), Vinzenz Hediger (Filmretrospektive), Margarete
Jahrmann (CD-ROM, Internet), Tom Sperlich (Symposium), Maria N. Stukoff
(CD-ROM, Internet), Doris Traubenzucker (Programm Digitale  Medien) u.a.



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