Manuel Bonik on 7 Jul 2000 23:53:42 -0000


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[rohrpost] e-biza: e-business report ausgabe 01




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Von:	e-biza, INTERNET:e-biza@gmx.de
An:	[unbekannt], INTERNET:info@werkleitz.com
	
Datum:	07.07.100 21:39 

BE:	e-biza: e-business report ausgabe 01

 
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e-biza
der e-business report für deutschland
ausgabe 1 vom 07 juli 2000
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Aus für "werkleitz.com"
DotCom-Pleitenwelle erreicht Deutschland.

Sie wollten von Tornitz aus das führende Portal am europäischen Markt 
errichten, und nun stehen sie vor dem Aus: "werkleitz.com", eine der 
größten E-Commerce-Hoffnungen aus Deutschland. Überall staunte man 
über die geniale Geschäftsidee junger Unternehmer, eine kleine 
Gemeinde in Sachsen-Anhalt mit einem eigenen, umfassenden und 
kommerziellen Portal auszustatten: Der Slogan vom "global village" 
sollte hier Wirklichkeit werden. Eine Gegend mit hoher 
Arbeitslosigkeit sollte in einen blühenden Garten im internationalen 
Wettbewerb verwandelt werden. Und nun die frühe Pleite des 
Unternehmens - ein Zeichen dafür, daß Deutschlands 
Wettbewerbsfähigkeit auf dem Neuen Markt am Ende ist? Ist das "Aus" 
exemplarisch für eine ganze Reihe von Firmencrashs? Ein Vorbote für 
eine weitere Talfahrt am Neuen Markt? Sind die Taschen der Venture 
Capitalists zugenäht?

Heikle Fragen für junge Firmen aus der Internetbranche, denn gerade 
sie sind abhängig von den Launen der Kapitalgeber. Sind diese aber 
weiterhin bereit, ein höheres Risiko einzugehen, auch wenn die 
Geschäftsidee sitzt, der Businessplan stimmt?. Die letzten 
Börsen-Monate haben die euphorischen Erwartungen der Marktbeobachter 
und Investoren getrübt. Über die "Grenzen des Wachstums" hört man 
heute schon einzelne Protagonisten der New E-Conomy munkeln. Die 
Kurse vieler Internetfirmen sind in der letzten Zeit bis zu 90 
Prozent gefallen. Der Boom scheint vorüber zu sein. Auch die Großen 
unter den Internetfirmen machen zwar meist steigende Umsätze, aber 
immer noch keine schwarzen Zahlen. Vorausgesagt wird, dass in der 
nächsten Zeit viele Internetfirmen denselben Weg wie werkleitz.com 
gehen könnten. 

Eins ist klar. Die längste Zeit galt: In Deutschland herrscht 
Aufbruchstimmung in Sachen E-Commerce. Über das Netz lassen sich alle 
Waren handeln. Aber nicht immer lassen sich Geldgeber für eine gute 
Geschäftsidee finden, die das Durchhaltevermögen und die Ausdauer 
haben, einem jungen Unternehmen unter die Arme zu greifen. Abzocken 
was geht, ist die neue Devise am Parkett. 

Dabei galt es lange Zeit als idiotensicher, daß junge Leute, die eben 
noch ihre Freizeit im Netz verbracht haben, Jungunternehmer mit 
Option aufs grosse Geld werden. Doch die momentane Flaute trifft 
nicht nur die ganz Großen im Business - die Big und Global Players. 
Auch Geschäftsideen, die den E-Commerce aus den Knotenpunkten des 
Netzes in die Peripherie bringen, stehen zunehmend vor großen 
Schwierigkeiten. Aus der Traum: Mit werkleitz.com hat einer der 
größten Hoffnungsträger der Region in Sachen E-Commerce Pleite 
gemacht. Man musste kurz vor dem geplanten Börsengang die Notbremse 
ziehen, nachdem es nicht gelungen war, für den mit großen Anspruch 
angekündigten DotCom Auftritt der Gemeinde Werkleitz in 
Sachsen-Anhalt weiter Geld zu beschaffen. Werkleitz.com musste Anfang 
Juli die Türen wieder schließen. 

Statt als Agentur nur die Kontakte zu den verschiedenen 
Dienstleistern zu vermitteln, wollte man den Ort selbst ins Netz 
bringen. Der Traum, ein virtuelles Mediendorf zu errichten - ein 
tatsächliches Global Village mit E-Commerce und allem Drum und Dran, 
dieser Traum ist nun ausgeträumt. Für jeden Dienstleister - von der 
Metallverarbeitung über die Gastwirtschaft bis zu der Schweinezucht - 
wollte man hier ein dreidimensionales Häuschen errichten. 300 
Anbieter und Kunden waren interessiert. Wo früher die LPG "Neuland" 
auf den Feldern arbeitete, sollte ein kommerzielles Portal entstehen, 
das die gesamte Gemeinde, deren Bürger, Vereine und Betriebe - kurz: 
das gesamte Leben - an die globalen Wirtschaftskreisläufe anschließt. 

Doch es sollte alles anders kommen. Denn der neue Gründungsboom 
unterscheidet sich von der Gründerzeit der Wirtschaftswunderjahre in 
den alten Bundesländern. "Ein Multimediaunternehmen funktioniert 
nicht wie ein traditioneller Handwerksbetrieb, wo der Meister erst 
eine Maschine kauft, dann wartet, bis er sie abbezahlt hat, und sich 
dann überlegt, ob er einen Gesellen einstellt", sagt Sigrid Kreis vom 
Multimedia Support Center im nahegelegenen Calbe. In der so genannten 
New Economy zählen Schnelligkeit und ein starker erster Auftritt: 
Nicht kleckern, sondern klotzen!  Da hat auch der Werbegag Anfang Mai 
die Startups von Berlin, Magdeburg und Leipzig nach Werkleitz zu 
einem matchmaking event zu laden, nicht die gewünschte und notwendige 
Aufmerksamkeit der Venture Capitalists gebracht. Und dann zögerte man 
zu lange. Bald wurde das Geld knapp. Die laufenden Kosten fraßen das 
Bankdarlehen auf, die Venture Capitalists zogen ihr Geld zurück. 
Anfang Juli dann der Schlag in die Magengrube: Statt das Darlehen wie 
versprochen zu strecken, hatte die Bank das Geschäftskonto gesperrt, 
weil der Kredit verbraucht war. Werkleitz.com versuchte zu handeln. 
Vergeblich. 

Nicht nur 300 Werkleitzer Bürger, denen neben einer virtuellen Heimat 
ein eigener Start in die Welt des elektronischen Handels versagt 
bleibt, werden sich nun nach einer anderen elektronischen Bleibe 
umsehen müssen, auch eine Reihe von Arbeitsplätzen in dem schon 
teilrenovierten Tornitzer Büros des jungen Start-up-Unternehmen gehen 
verloren. Und dort, wo eine der umfangreichsten Internetpräsenzen 
überhaupt entstehen sollte, prangt immer noch der Hinweis: "Under 
construction". 


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