spiv // Stephan Schröder on Fri, 26 May 2000 09:50:55 +0200 (CEST)


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Re: [rohrpost] Netzpolitik



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>1)  Da das Netz von seinen Benutzern "lebt", sollten diese auch den groessten
>Teil des Inhaltes bestreiten. Es sollte also alles daran gesetzt werden, eben
>diese nicht-kommerziellen Ressourcen zu foerdern, also ein Bewusstsein 
>fuer die
>Moeglichkeiten zu schaffen, dass der Nutzer sich nicht nur rein rezeptiv,
>sondern gerade produktiv und somit im weitesten Sinne politisch verhalten
>kann und soll. Mir scheint in den Medien allzu oft der kommerzielle
>Verwendungszweck des Netzes im Vordergrund zu stehen, da dieses aber keine
>Einbahnstrasse ist, sollte der "Gegenverkehr" eine genuine Aufgabe von
>Netzpolitik sein.

Der Begriff der Informationsgesellschaft ist ein Begriff der 
ausschliesslich von einer Minorität benutzt wird, nämlich der die daran 
aktiv teil haben können. Dies sind zudem meist kommerziell denkende 
Gesellschaften. Im Netz kommt es zu einer Verschiebung die man auch als 
Parallelwelt bezeichnen kann. Dabei ist der Zugang innerhalb der 
Onlinegruppe kein soziologisches Parameter mehr, sondern manifestiert sich 
an den technologischen Polen. Die Geschwindigkeit des Prozessors und des 
Netzzugangs treten an die Stelle des sozialen Status, Ideologie ist eine 
Frage des Browsers oder des verwendeten Betriebsystems geworden und die 
Identität ist zur Seriennummer verkommen.  Gibt es innerhalb der 
Fernsehzuschauer oder Radiohöher kein privilegierteres Moment mehr, so ist 
beim Netz ein zweite Teilung ein  inhärentes „digital divide“ absehbar. So 
wird der Benutzer mit den bestmöglichen technischen Vorraussetzungen zu den 
privilegiertesten Benutzern gehören. Schon heute ist ein Trend erkennbar, 
der dem Nutzer immer weitere Hard- und Softwareaktualisierung (z.b. 
„PlugIns“) aufdiktiert, ohne die er vom Angebot schlichtweg ausgeschlossen 
wird. Ferner diktiert im Netz nicht der Staat sondern die 
Softwareunternehmen treten an dessen Stelle.


>2) Bestandteil des Netzes ist und bleibt die Software, die es erst 
>ermoeglicht.
>Da diese auch die Inhalte bestimmt (frei nach McLuhan: The software is the
>message), halte ich die OSS-Bewegung fuer ausserordentlich wichtig. Auch hier
>waere es Aufgabe von Netzpolitk diesen Gedanken zu forcieren (frei nach Kant:
>Freie Software ist der Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmuendigkeit).

Freie Software versprerrt oder gewährt weniger oder mehr auf die Sicht der 
Dinge, weil der Benutzer nicht von der Subjektivität der Software Authoren 
abhängig ist ... oder frei nach Kant ;-) "Objektivität definiert sich durch 
Inter-Subjektivität" - Somit ist Linux "objektiver" als Windows, bei einer 
Marktdominanz von 90% hat Microsoft immernoch alle Macht der Welt seine 
Benutzer potentiell fernzusteuern oder zu manipulieren. Es kam mir sogar 
schon vor das selbst die Inhalte verändert wurden. Wenn ich mich mit 
Netscape auf die Microsoft seite surfe. Die Frage ist nur wer sich 
aufwendig umstellt und ein anderes Betriebsystem einsetzen will - ich wette 
mal auf dieser Liste verwenden sehr viele Windows oder MACOS.


>3) Im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit macht die Frage nach dem
>Original herzlich wenig Sinn, auch das Konzept von Autorschaft wird ein
>zunehmend fragwuerdiges. Insofern ist ein Diskurs anzuregen, wie Copyright-
>Bestimmungen zum einen den materiellen Bedingungen des Autoren gerecht werden
>koennen und diese Bestimmungen trotzdem keine nicht mehr zu rechtfertigenden
>Einschraenkungen der "Information" (eigentlich kann ich diese Wort kaum mehr
>ertragen) bewirken. Insbesondere finde ich hier den Gedanken spannend, dass
>Mehrwert auch aus einem Mehrwert an Information (schon wieder dieses Wort)
>bestehen kann. Zwar kann man diese nicht essen, doch wuerde ich den 
>Mehrwert an
>Information ueber den Mehrwert an Shareholder-Value stellen.

Tja der gute Benjamin ..... wie stehts denn mit der URL ? Diese ist NICHT 
reproduzierbar sondern unikat. Wie wichtig diese ist wurde nicht erst seit 
etoy offenbar. Da versuche mal jemand altavista unter 
http://www.kennichnicht/~benutzer/meinverzeichnis/blabla/altavista.htm zu 
etablieren versuchen. CocaCola ist auch nicht reproduzierbar auch wenn 
viele die braune Suppe herstellen.... Eine andere Frage ist die nach der 
Begriffsdifferenzierung von  Information und Daten. Ob noch mehr 
Eigenbrötelerei auch wirklich zu MEHR Information bezweifele ich. 1 
Postwurfsendung auf Print hat für mich dieselbe Anzahl Infos wie 10 oder 
1000 von ihnen.

gruss,
spiv.

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