David Hudson on Sun, 29 Dec 96 23:41 MET |
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nettime: Data Conflicts |
Harald Weilnboeck on the Data Conflicts conference. First in German, and then in English, as translated by David Hudson. Zur Tagung des Einstein-Forums "Datenkonflikte - Osteuropa und die Geopolitik im Cyberspace" Wirft man einen Blick auf hiesige Pressestimmen zu Internet und neuen Medien, scheinen einem augenhell die Aengste, Bedenken und Wunschphantasien der buergerlichen Wohnzimmer entgegen. Es wird gefragt - und dies immer grundsaetzlich -, ob die allseitige Verschaltung als zivil inspirierte Plauderecke elektronisch aufgeklaerter Weltbuerger fungiert, oder lediglich virtuelle Pseudo-Gemeinden vermarktet; ob das Netz gemeinsame Werte erzeugt oder Differenzen radiert; ob es das reichhaltige Schauen oder das Vorurteil und den pornographischen Blick befoerdert; ob sich der Graben zwischen den Geschlechtern vertieft und unserer Kinder Entwicklung an der Infobahn verkuemmert etc. Den einen bietet das Internet die Lacansche Therapie der totalen Selbsterfahrungsgruppe, die anderen sehen nur unwirklichen Firlefanz? Und die hoechste der Fragen: wann endlich faengt der Computer an zu fuehlen? Waehrend fuer unsereinen der vernetzte PC so aufregend zwischen Bildungsroman oder Seifenoper, zwischen fundamental-demokratischer Utopie und antikapitalistischem Kulturpessimismus changiert, stellen sich in der nicht-westlichen Welt ganz andere Fragen. Das Potsdamer Einstein-Forum, wie immer beispielhaft fuer interdisziplinaer engagierte Kulturwissenschaften, versammelt eine gut gemischte Gruppe von Theoretikern und Praktikern zur Frage Osteuropa und die Geopolitik des Cyperspace. Thomas Keenan und Thomas Levin, den Organisatoren aus Princeton, geht es darum, "nachzusehen, was in Sachen Medien eigentlich passiert" in jenen Laendern, wo der Wirtschaftsliberalismus einzug haelt und die demokratische Rebellion noch echte Risiken birgt. Schillernd und zwiespaeltig wie alle Heideggerianer, nur amuesanter, besorgt Friedrich Kittler von der Humboldt Universitaet Berlin den historischen Rueckblick auf die Geschichte der Medien, die schon den Krieg und Nachkrieg entschieden. Denn als die angloamerikanische Allianz durch innovativen Computereinsatz den Kode der Wehrmacht knackte, lie§ man Stalin im dunklen, und das Pentagon erfand das ach so postmoderne Internet als atombombensicheres System der Befehlsvermittlung. Seither trieben sich die Entwicklungen der Betriebs- und Waffensysteme gegenseitig voran. Was die flaechendeckende Glasfaserverkabelung der Ex-DDR mit der Osterweiterung der Nato zu tun hat, ist anderen nur eine maessig interessante Frage. Obwohl die Medien vom Lichttelegraph Napoleons, ueber Morseapparat, Volksempfaenger, Telefon, Hitlers Breitband-Kabel-TV zum weltumspannenden Sateliten-Fernsehen unstrittig zumeist ruestungsbedingte Metamorphosen durchliefen, werden dadurch die jeweiligen Inhalt noch nicht irrelevant, so Erich Moechel, Herausgeber von Quintessenz in Wien. Frank Hartmann, GeschaeftsfŸhrer des Wiener Forum Sozialforschung, insistiert, dass mit der leisen, aber tendenziell general-zynischen Rede von der flottierenden Realitaet der Massenmedien, in der Niklas Luhmann u.a. den kritischen Gestus selbst verabschieden, die Aufgabe der sozialwissenschaftlichen Analyse noch nicht erledigt ist. Die Frage nach den virtuellen Klassen der Informationseliten wie die nach der medialen Ausdifferenzierung zahlloser Teiloeffentlichkeiten und deren sukzessiver Re-Synthetisierung mit grossen Aufmacherthemen haben psycho-soziale Relevanz. Auch die 304 Milliarden Ecu Marktwert der europaeischen Medienlandschaft sind zentraler Vektor der politischen Oekonomie, der freilich im Osten auf eine komplexe Gemengelage trifft. Dort ueben oft alte Parteikader eine unerbittliche und anachronistische Medienaufsicht, die Einschuechterung und Zensur ausuebt oder, wie in Bosnien, der Welt durch eine Scheinvielfalt fanatisierter Einzelfraktionen Meinungspluralismus vortaeuschen. Die neuen Wirtschaftskader sind dagegen keineswegs immer aufgeschlossener. Selbst die junge und zunŠchst wenig beachtete Computervernetzung erfaehrt deshalb zunehmend ordnungspolitischen Zwang, so Robert Horvitz, International Internet Coordinator in Prag. Masha Gessen, Journalistin bei Itogi in Moskau berichtet, wie Jelzins Kommission fuer die nationale Computer-Infrastruktur ganz unwillkuerlich lauter ehemalige KGB-Offiziere versammelte, denen der anschwellende Datenfluss instinktiv zur Geheimhaltungssache geriet. Wenn der Staat sich die Rechte auf alle ihn betreffenden Daten vorbehaelt, ist jeder unabhaengigen Nachrichtenauswertung der Boden entzogen; und wenn alle Verschluesselungsverfahren registriert werden muessen und der alte grosse Bruder immer mithoeren kann, kommt wenig Lust am Kabelverkehr auf. In den politisch gemaessigteren der oestlichen Breiten hingegen entfalten sich eher die marktstrategischen Szenarien. Unabhaengiger Journalismus hat wie in der Slovakei nach anfaenglichen politischen Problemen vor allem wirtschaftliche, denn die Werbeeinahmen leiden unter der sensationsarmen und unparteiischen Nuechternheit. Dass Bill Gates persoenlich nach Ungarn kommt, um Liberalismusreklame zu machen und die Raubkopierer zur Kassen zu bitten, hilft laut Tam‡s Bodoky, Kolumnist bei Magyar Narancs in Budapest wenig. Waehrend Mikrosoft zusammen mit Polizei- und Staatsvertretern parteitagsaehnliche Inszenierungen veranstaltet, in denen arme reuige Software-Suender vorgefuehrt werden, und waehrend auf Plakaten zur anonymen Telefon-Denunziation aufgerufen wird, arbeitet der gesamte Verwaltungsapparat mit geklontem und illegalem Material. Nicht so schlimm! Geht es doch vor allem um die Anbahnung von Exklusivvertraegen mit dem nationalen Zwischenhandel, durch die preisguenstige Lokalanbieter verdraengt werden und die oekonomischen Barrieren fuer die oeffentliche und private Informationsfreiheit weiter steigen. Eine besondere Rolle spielen elektronische Medien in Krisen- und Kriegszeiten. Die Systemsoperatoren von ZaMir, Eric Bachman und Wam Kat wissen zu berichten, wie sie ausrangierte Computer, Modems und Software mobilisierten, nach Sarajewo gingen, ein Telefonkabel suchten, und der besonnenen Mehrzahl der Einheimischen zeigten, was man damit in Sachen Konflikt-Deeskalation gegen die Hasspropaganda der eigenen Regierung machen kann. "ZaMir"- "Fuer den Frieden" ist der Name des aufgespannten Netzes, das ueber die Schaltstelle Bielfeld die Staedte Ex-Jugoslawiens verbinden konnte, als deren direkte Telefonleitungen noch gekappt waren. Dazu kam der Flankenschutz von Fluechtlinge in der Diaspora wie Damir Tomicic und ihrer Gastgeber, etwa Frank Tiggelaar, die von Amsterdam und Erlangen aus die "Bosnia and Croatia Information Pages" einrichteten; - gegen die Dominanz des kontrollierten TV und Radio freilich nur ein bescheidener Anfang. Wo dann der ehemals durchaus konventionelle Hollywood Produzent Michael Linden sich ganz auf humanitaere AufklŠrungsarbeit verlegt und der Underground-Journalist Jim Bartlett aus Santa Fe das Internet mit regim- und CNN-feindlicher Information sowie mit eigentlich TV-verdaechtigen human-touch-stories speist, sollten auch Werbeeinahmen zu erzielen sein. Doch jenseits des Kartells von Murdoch, Ted Turner, Time-Warner etc. musste dieses Team fuers erste scheitern. Das gedankenreiche Europa leidet dann noch zusaetzlich an dem kompliziertesten der Medien: dem westlichen Intellektuellen. Suedoestliche Publizisten wie Boris Buden vom "Bastard" Wien/Zagreb und Novica Milic, Literaturwissenschaftler in Belgrad, werfen ein Schlaglicht auf die Verschrobenheit von Peter Handkes und Alain Fienkelkrauts Kant-krieselnder Sehnsucht nach dem Aussermedialen, die stets dem Lokaltermin entgegenfiebert. Da fand der zuvor durchaus nuechterne Fienkelkraut in Zagreb ploetzlich die wahre Seele der europaeischen Kultur, und der gesinnungsaesthetische Eifer fŸr das kroatische Opferbild kannte kein Halten mehr. Auf der anderen Seite der Front war Handke mit seiner so anders-stuermischen "Augenzeugenschaft" zugegen und schwaermte von serbischen Physiognomien. Der poesie-sakrale Streitgesang der Geistesheroen war so erhellend, wie Susan Sontags Theater-Inszenierung, ausgerechnet von Becketts "Warten auf Godot", im umkaempften Sarajewo angemessen war. Der sonst nicht minder zwiespaeltige Jean Baudrillard diagnostizierte einen typischen Fall von Kriegsmissbrauch zum Zwecke der selbst-stimulierenden Vitalitaetszufuhr alternder Meisterdenker. Haetten die Kulturschaffenden aus der Ferne das schnoede Internet konsultiert, waeren sie den Sachlagen wesentlich naeher gekommen. Dort begannen Vertriebene und Opfer einen recht aussermedialen Austausch. Im Vorfeld des Krieges jedoch braute sich dort auch das sogenannt Freiheitlich-Nationale zusammen und im Nachkrieg werden kommerzielle Interessen dominat. Wo wie in Potsdam keine einfachen Antworten ergehen, kommt auch kein Pathos auf. "Data Conflicts: Eastern Europe and the Geopolitics of Cyberspace" A glance at local press coverage of the Internet and new media reveals the fears, second thoughts and wishful fantasies of the homely living room. Questions are being asked - always fundamental ones - as to whether wiring everyone will serve as a civil chat room for electronically educated citizens of the world or merely market virtual pseudo-communities; whether the Net gives rise to collective values or highlights our differences; whether it cultivates a rich, new way of seeing, or rather, prejudice and the pornographic gaze; whether or not it widens the chasm between the sexes, spoils the development of our children, etc. For some, the Internet offers Lacanian therapy of the utterly self-absorbed sort, for others, nothing but unreal, superfluous nonsense. And the most pressing of all questions: When will the computer finally begin to feel? While for folks like us the networked PC wavers in our attention between the bildungsroman and the soap opera, between a fundamentally democratic utopia and anti-capitalist cultural pessimism, those in the non-western world are asking entirely different questions. The Einstein Forum in Potsdam, always exemplary for its engaged interdisciplinary cultural programs, gathered a wide range of theoretical and practical speakers to focus on the question of Eastern Europe and the geopolitics of cyberspace. Thomas Keenan and Thomas Levin, the conference organizers from Princeton, set out "to see what's actually going on in the media" in those countries where economic liberalism is now being introduced and where democratic rebellion is still genuinely risky. Scintillating and ambiguous as the next Heideggerian, only more amusing, Friedrich Kittler of Humboldt University in Berlin, provided the historical review of media as determined by the war and postwar periods. When the Anglo-American alliance broke the Wehrmacht code through the innovative use of computers, Stalin was left in the dark and the Pentagon invented the oh, so postmodern Internet as an atom bomb-proof system for transmitting orders. Ever since, industrial and weapons systems have spurred along each other's development. What the blanketing of the ex-GDR with fiber optic cable has to do with the eastward expansion of NATO is for others a question of only minor interest. Even though media, from Napoleon's lantern signals, through Morse code, radio, the telephone and broadband cable television to the satellite television beamed around the world unquestionably went through their metamorphoses determined by their respective arms races, this has not made the content at each stage irrelevant according to Erich Moechel, the publisher of Quintessenz in Vienna. Frank Hartmann, managing director of the Wiener Forum Sozialforschung (Vienna Forum for Social Research), insists that with the quiet but generally cynical talk of wavering reality in mass media, for which Niklas Luhmann and others have all but abandoned the gesture of criticism, the task of a social scientific analysis is far from complete. The questions that arise surrounding virtual classes of the information elite and the division of the public into countless, differentiated parts as well as their resynthesizing around celebrated themes have psycho-social relevance. The European media landscape, with its market value of 304 billion ECU, is also a central vector of the political economy, which naturally is hardly the same tangled mess of complexities in the East. There, the old party hands carry on their worn out, inexorable and anachronistic watch over the media, with all its threat and censorship, or, as in Bosnia, pretend to pluralism for a watching world with a make-believe plethora of individual fractions. The new economic cadres are in no way any more forthright. Even the new, and perhaps only for the moment, not quite as closely observed telecommunications are therefore taking on increasing importance in the political order, according to Robert Horvitz, International Internet Coordinator in Prague. Masha Gessen, a journalist for Itgoi in Moscow, delivered a report on Yeltzin's commission for a national computer infrastructure and on how, not quite so arbitrarily, a considerable band of former KGB officers were gathered, a group viewing the rising tide of data with an instinctive eye toward secrecy. If the state decides to retain rights on all data that in any way relates to itself, every independent news agency will have the floor pulled out from under it; and if all encrypted communication has to be registered so that the old big brother can listen in, there won't be much in the way of incentive for going online. In the more politically temperate areas of the East, it's the market strategies that take on a more prominent role. Independent journalism in places like Slovakia has moved on from its initial political problems to economic ones as advertising revenues suffer under a new sobriety lacking in sensation and partisanship. Bill Gates' trip to Hungary to personally promote liberalism and shake down software pirates doesn't help, says Tamas Bodoky, a columnist for Magyar Narancs in Budapest. While Microsoft, in cooperation with the police and governmental officials stage purge-like public events in which poor and repentant software sinners are paraded, and while billboards call out for snitchers to take advantage of anonymous telephone hotlines, the entire legal system itself runs on pirated material. Ah, well. What counts in the end is clearing the way for exclusive contracts with national dealers so that the more reasonably priced goods offered by local dealers are driven out of the marketplace and the economic barriers for public and private freedom of information rise once more. Electronic media play a particularly unique role during times of crisis and war. The sysops of ZaMir, Eric Bachmann and Wam Kat, reported on how they mobilized cast off computers, modems and software, went to Sarajevo, searched for and found a telephone line and showed the people there what could be done in terms of de-escalating the conflict by countering the hateful propaganda of their own government. "ZaMir" - "For Peace" is the name of the network wiring, via Bielefeld, Germany, the cities of what was once Yugoslavia when the direct telephone connections were out. Then came the wave of voices from refugees in the diaspora, such as Damir Tomicic, and their host, Frank Tiggelaar, who set up the "Bosnia and Croatian Information Pages" in Amsterdam and Erlangen - compared to the dominance of state-run television and radio, a modest beginning, to be sure. When the once thoroughly conventional Hollywood producer, Michael Linder, began to focus on humanitarian elucidation with the underground journalist Jim Bartlett from Santa Fe, feeding the Internet with information that challenged the government and CNN as well as human-touch stories that bore a suspicious TV quality, advertising revenues were expected to follow. But as they were shut out of the Murdoch, Turner-Time-Warner, etc., cartels, the team has, for the moment, shut down its effort. Thought-laden Europe suffers furthermore under the reign of the most complicated of all media: western intellectuals. Southeastern publishers such as Boris Buden of "Bastard" out of Vienna and Zagreb and Novica Milic, literary critic from Belgrade, threw light on the eccentricity of Peter Handke and Alain Fienkelkraut's Kantish desire for the extra-media experience, with its feverish obsession for the local. So the previously perfectly sober Fienkelkraut suddenly found the true soul of Europe in Zagreb and there was no holding back the sentimentally aesthetic zeal for the image of the Croatian as victim. On the other side of the front, Handke, with his entirely different brand of "eyewitnessability," was praising Serbian physiognomy. The poetic song of quarrel between these two heroes of the spirit was about as enlightening as Susan Sontag's theatrical production of Beckett's "Waiting for Godot" in embattled Sarajevo was appropriate. Jean Baudrillard, usually no less ambiguous, diagnosed a typical case of the misuse of war for the selfish purposes of revitalizing the aging master thinkers. Had the culturalists consulted the snubbed Internet from afar, they'd have arrived at considerably more truthful conclusions. There, the castaways and victims had begun a truly extra-media exchange. But within the parameters of war, the so-called free states were brewing in there, and after the war, commercial interests will dominate. Where there are no easy answers, as in Potsdam, there is also no pathos. _________________________________________________________ David Hudson REWIRED <www.rewired.com> dwh@berlin.snafu.de Journal of a Strained Net _________________________________________________________ -- * distributed via nettime-l : no commercial use without permission * <nettime> is a closed moderated mailinglist for net criticism, * collaborative text filtering and cultural politics of the nets * more info: majordomo@is.in-berlin.de and "info nettime" in the msg body * URL: http://www.desk.nl/~nettime/ contact: nettime-owner@is.in-berlin.de