Nettime's dumb compiler on 19 Oct 2000 23:55:11 -0000


[Date Prev] [Date Next] [Thread Prev] [Thread Next] [Date Index] [Thread Index]

<nettime> Longish Thread on Randy Thornhill (In German with nettime in the cc:)




---------- Forwarded message ----------
Date: Tue, 17 Oct 2000 11:32:47 +0200
From: Stefan Weber <cyberwriter@utanet.at>
To: register@philo.at, rewired@rewired.com, COYOTE-L@kein.org,
     nettime@bbs.thing.net, syndicate@aec.at
Subject: Elisabeth List zu Randy Thornhill

Liebe Listenmitglieder,
Prof. Elisabeth List (Universit”t Graz) hat mich gebeten, das folgende
Statement im Netz zu verbreiten. Ich komme ihrer Bitte gerne nach.
Stefan Weber

+++++++
Betreff:            Protest gegen Randy-Thornhill-Vortrag auf der "ars
electronica"

Mich erschreckt, mit welcher Gl”ubigkeit hierzulande alles f¸r bare M¸nze
genommen wird, was aus den USA kommt. Das gilt besonders f¸r die
Soziobiologie. Was an Texten von E. Wilson, seinem Sch¸ler D. Barash, oder
R. Dawkins zu uns kommt, ist nicht Wissenschaft, sondern
Popul”rwissenschaft , "Pop-sociobiology", und hat mit den Beitr”gen, die
man in den wissenschaftlichen Journals der biologischen
"Normalwissenschaft" lesen kann, ¸berhaupt nichts zu tun. Es ist zu 50 %
politische Propaganda, die versucht, sich die Autorit”t der Biologie als
Wissenschaft zunutze zu machen. Dazu braucht man kein Fachmann, keine
Fachfrau zu sein. Diesen Vorwurf w¸rde Thornhill zur¸ckweisen, und er
beruft sich gegen Kritiker, die ihm vorwerfen, er h”tte selbst keine
empirischen Befunde erhoben, auf sein umfangreiches Literaturverzeichnis,
auf seine Sekund”rquellen und "wissenschaftliche Autorit”ten".

Liest man die B¸cher von Konrad Lorenz, wird man merken, daþ sich die
kontinentale Tradition der Vergleichenden Verhaltensforschung vom Stil der
Soziobiologie deutlich unterscheidet. Konrad Lorenz, der ¸ber die
Naturgeschichte der Aggression schreibt, spricht ausdr¸cklich von
Aggression, und nicht von Gewalt. Er scheint zur Kenntnis zu nehmen, daþ es
ein Miþbrauch der Sprache ist, Aggression schlicht mit Gewalt
gleichzusetzen. (Obwohl der Titel des Buchs Das sogenannte B–se es mit der
Trennung des Deskriptiven vom Normativen nicht so ernst meint).

Denkt man nur einen Augenblick dar¸ber nach, was "Gewalt" eigentlich
bedeutet, n”mlich Handlungen, die den K–rper, den Existenzbereich einer
anderen Person verletzen, um diese Person zu annihilieren, zu dem¸tigen,
und studiert man historische Beispiel von Gewalt, von den Blutopfern der
Azteken bis zu den Folterungen, von denen Amnesty International berichtet,
und insbesondere die Vergewaltigung von Frauen in B¸rgerkriegen - von
Indien in der Zeit der Unabh”ngigkeitskriege bis nach Bosnien 1992 -, dann
wird man erkennen, daþ Gewalt immer kulturell konstruiert, ritualisiert,
und nicht ein nat¸rliches Ph”nomen ist. Die Naturalisierung von Gewalt hat
in der Philosophie und den Wissenschaften eine lange Tradition, von Hobbes
bis zu Darwin und seinen Enkelsch¸lern - das ist die Wissenschaftstradition
einer patriarchalen Kultur, mit der wir endlich aufr”umen m¸ssen.

Eine Kritik an Thornhill darf es sich nicht zu leicht machen. Wie er
beteuert, h”lt er Vergewaltigung selbst f¸r ein Unrecht, gegen das man
k”mpfen sollte. Aber als Wissenschaftler meint er, diese seine Ðberzeugung
zur¸ckzustellen gegen¸ber dem Anspruch seiner Wissenschaft, der
Soziobiologie, die beansprucht, die einzig "wissenschaftlich legitime"
Theorie menschlichen Verhaltens zu sein, und die eben behauptet, daþ jeder
Mann ein potentieller Vergewaltiger ist.

Mehrere Punkte sind da zu beachten. Erstens folgt Thornhill dem Trend der
Soziobiologie, f¸r sich allein den Status der Wissenschaftlichkeit in
Anspruch zu nehmen und die Sozialwissenschaften insgesamt zur bloþen
Ideologie zu erkl”ren. Daþ es so etwas wie Geschichtswissenschaften und
vergleichende Anthropologie gibt, die die behauptete Universalit”t von
Ph”nomenen wie Vergewaltigung oder auch Krieg empirisch, und das heiþt
wohl, wissenschaftlich widerlegen, nimmt er einfach nicht zur Kenntnis.
Hinter dem Text von Thornhill verbirgt sich also ein Machtkampf innerhalb
des Felds der Wissenschaften, in dem derzeit die naturalistischen
Positionen, insbesondere das Lager der Neodarwinisten, das Sagen haben.

Die Dominanz eines wissenschaftlichen Paradigmas kann erhebliche Folgen f¸r
die Sprachverh”ltnisse haben. Es ist verbunden mit einer Politik der
Benennungen, die andere Sprach- und Sichtweisen tendenziell verdr”ngen. Im
konkreten Fall von Vergewaltigung und von Gewalt allgemein bedeutet das,
daþ die allt”gliche, die –ffentliche, moralische und politische Rede ¸ber
Gewalt f¸r irrelevant und gehaltlos erkl”rt wird.

Dem muþ man ein gesch”rftes Instrumentarium der Wissenschaftskritik als
Sprachkritik entgegenhalten. Man muþ klarmachen, daþ sich alle
Spezialprachen, auch die der Wissenschaften, aus dem Mutterboden der
kulturell geteilten Alltagssprache entwickeln. Ganz im Sinn von Ludwig
Wittgenstein wird man erst fragen, was Ausdr¸cke von Gewalt und
Vergewaltigung in ihrer realen Verwendung im allt”glichen Leben bedeuten.
Wie schon eingangs angedeutet, bedeutet Gewalt - im Franz–sischen bedeutet
die etymologische Wurzel von "violence"," viol" Vergewaltigung - im
normalen Sprachgebrauch das Eindringen in die und das Verletzen der Sph”re
eines anderen, und damit immer die Verletzung eines Rechts, das gem”þ dem
Brauch, den Konventionen und den Gesetzen allen Mitgliedern der
Gesellschaft, oder der menschlichen Gemeinschaft zusteht. Mit anderen
Worten, das Wort Gewalt hat, so wie es in den Sprachen zumindest der
meisten Kulturen verwendet wird. einen essentiell normativen Gehalt. Gem”þ
Thronhills eigenem Verst”ndnis von Wissenschaft ist es demnach f¸r die
Soziobiologie als Wissenschaft ganz und gar illegitim, diesen Ausdruck
¸berhaupt zu verwenden. Die Wissenschaftlergemeinschaft hat nicht das
Recht, den Sprachgebrauch des Alltags, oder die Spezialsprachen anderer
wissenschaftlicher Disziplinen nach Belieben umzudeuten.

Es ist der Machtanspruch dieser Wissenschaftsdisziplin, der dazu f¸hrt, daþ
sie sich unbefugt die Territorien anderer Wissenschaftsbereiche
einverleibt, und sie tut es mit unstatthaften Mitteln. Sie tut es mit den
Mitteln einer Sprache, die sie f¸r ihre "Politik der Benennung"
instrumentalisiert. Deshalb muþ Wissenschaftskritik in erster Linie immer
Sprachkritik sein. Um Alice in Wonderland zu zitieren, wo die Sache auf den
Punkt gebracht wird:

"If I use a word", said Humpty-Dumpty, "it just means what I want". "The
question." said Alice, "whether you can make a word mean what you want."
Humpty-Dumpty answered in a rather scournfull tone: "The question is, who
is master"

Die Frage ist also, wer das Sagen hat. Die Weisheit von Alice sollte uns
helfen, denen zu widersprechen, die versuchen, im Namen der Autorit”t von
Wissenschaft eine chauvinistische Politik salonf”hig zu machen.

Elisabeth List

<<<<<<<<<<<<<<<<>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Mag. Dr. Stefan Weber
Schopperstrasse 10
A-5020 Salzburg T +43.662.45 10 10
Media Theorist <<<>>> Scientific Writer
Current Project: CyberPoiesis (FWF)
Project: http://www.cyberpoiesis.net/
Personal: http://www.sbg.ac.at/autojour
<<<<<<<<<<<<<<<<>>>>>>>>>>>>>>>>>>



---------- Forwarded message ----------
Date: Wed, 18 Oct 2000 09:41:31 +0200
From: Hans-Joachim Niemann <Hans-Joachim.Niemann@t-online.de>
To: Stefan Weber <cyberwriter@utanet.at>, "philweb@philo.at" <philweb@philo.at>
Cc: register@philo.at, rewired@rewired.com, COYOTE-L@kein.org,
     nettime@bbs.thing.net, syndicate@aec.at
Subject: Re: Elisabeth List zu Randy Thornhill

>Prof. Elisabeth List (Universit”t Graz) schrieb:

>Die Dominanz eines wissenschaftlichen Paradigmas kann erhebliche Folgen
>f¸r die Sprachverh”ltnisse haben.

Daran ist nichts verwerflich. Wir sprechen heute vom Blitzableiter als
Stromableiter, nicht vom 'Gotteszornableiter'; Wissenschaft ist ¸berall
in die Alltagssprache eingedrungen, und das ist gut so, solange nicht
politisch motivierte Wissenschaftler uns irgendeine Ideologie
untermogeln.

> Es ist verbunden mit einer Politik der Benennungen, die andere Sprach-
> und Sichtweisen tendenziell verdr”ngen.
> Im konkreten Fall von Vergewaltigung und von Gewalt allgemein bedeutet das,
> daþ die allt”gliche, die –ffentliche, moralische und politische Rede ¸ber
> Gewalt f¸r irrelevant und gehaltlos erkl”rt wird.

Verharmlosung von Vergewaltigung ist nicht eine Folge von Wissenschaft,
sondern wie sie selber sagen, von 'Politik'.  Die Wissenschaft kann uns
nicht sagen, was wir tun sollen, h–chstens, was wir nicht tun k–nnen
(Max Weber). Aus dem Sein folgt kein Sollen (Hume). Diese Einsicht ist
bisher von niemanden widerlegt worden. Sie geh–rt zu dem Besten, was die
Philosophie zu bieten hat. Zu beklagen sind nicht die Wissenschaftler
als Wissenschaftler, sondern die Leute dort, die ihre Politik
wissenschaftlich verbr”men.

>Deshalb muþ Wissenschaftskritik in erster Linie immer Sprachkritik sein.
>Um Alice in Wonderland zu zitieren, ...

Dear Alice, wie soll diese Sprachkritik funktionieren? Einstein hat den
Alltagsbegriff von 'Gleichzeitgkeit' total neuinterpretiert. Sollen wir
Einstein zur¸ckweisen, weil er den Boden der Muttersprache oder der
Alltagssprache verlassen hat?

>Wissenschaftlergemeinschaft hat nicht das Recht, den Sprachgebrauch des
>Alltags,
>oder die Spezialsprachen anderer wissenschaftlicher Disziplinen nach Belieben
>umzudeuten.

Ist gibt da keine rechtlichen Regelungen, und das ist gut so. Die Macht
der politischen Sprache kann nicht durch Sprachkritik gebrochen werden.
Nur wer nach den zugrundeliegenden Problemen fragt, wer die Probleme
analysiert und in Probleml–sungen denkt, entkommt der Magie der
sprachlichen Oberfl”che.


Gruss,

Hans-Joachim Niemann
http://www.kritischer-rationalismus.de
The Website the leading critical rationalist:
http://www.hansalbert.de




---------- Forwarded message ----------
Date: Wed, 18 Oct 2000 10:20:01 +0100
From: Dr. Ullrich Michael Haase <u.haase@mmu.ac.uk>
To: Hans-Joachim Niemann <Hans-Joachim.Niemann@t-online.de>,
     Stefan Weber <cyberwriter@utanet.at>, philweb@philo.at
Cc: register@philo.at, rewired@rewired.com, COYOTE-L@kein.org,
     nettime@bbs.thing.net, syndicate@aec.at
Subject: RE: Elisabeth List zu Randy Thornhill

"Aus dem Sein folgt kein Sollen (Hume). Diese Einsicht ist bisher von
niemanden widerlegt worden. Sie geh–rt zu dem Besten, was die Philosophie zu
bieten hat."

Sind Sie sich so sicher, daþ die Philosophie solcher Naivit”t immer mit
Freude gefr–nt hat? Es ist nicht einmal schwer zu zeigen, daþ Kant sehr
viele Probleme gehabt hat, Sein und Sollen zu trennen. Ganz davon abgesehen,
daþ das vielleicht gar nicht so w¸nschenswert ist. (Daþ es hier keinen
Kausalschluþ gibt, ist eine ganz andere Sache).
Man h”tte selbst Hoffen k–nnen, daþ die Wissenschaft selbst erwachsen genug
ist, als sich immer auf ihre kindliche Unschuld zu berufen.
Auf jeden Fall stellt sich die Frage, mit welcher Leichtigkeit man sich der
Philosophie versichert und ihr Angebot in den eigenen Anspruch stellt.
Mit freundlichen Gr¸þen,
Ullrich Haase


===========================================
Dr. Ullrich Haase
Senior Lecturer in Philosophy
The Manchester Metropolitan University
Dept. of Politics and Philosophy
Manton Bld.
Rosamund Street West
Manchester M15 6LL
Email: u.haase@mmu.ac.uk
Web: www.mmu.ac.uk/h-ss/pap/philos


---------- Forwarded message ----------
Date: Wed, 18 Oct 2000 11:39:41 +0200
From: Karsten Weber <kweber@euv-frankfurt-o.de>
To: register@philo.at
Cc: Stefan Weber <cyberwriter@utanet.at>, "philweb@philo.at"
<philweb@philo.at>,
     rewired@rewired.com, COYOTE-L@kein.org, nettime@bbs.thing.net,
     syndicate@aec.at
Subject: Public Netbase, Elisabeth List

Gestern wurden zwei Brandbriefe im Internet und unter anderem auch ¸ber
Register
verbreitet. Beide k–nnen nicht unkommentiert gelassen werden. Ich
bef¸rchte, dass in
der geistes- und sozialwissenschaftlichen Diskussion das Augenmaþ verloren
gegangen
ist. Im Aufruf von Public Netbase bspw. stehen S”tze wie
>Of course it remains to be seen how much of an impression this effort will
>make on the protagonists of authoritarian neoliberal politics in Austria.
und
>Austria has become the first country in Europe with elements of the
>extreme right in
the
>national government, and it proves to be a model of how neoliberal and fascist
ideologies perfectly >blend into a "sleep of reason that begets monsters".
Zum einen scheint es mir widerspr¸chlich zu sein, von "authoritarian
neoliberal" zu
sprechen. Aber es ist ein Unding, in einem Satz von "neoliberal and fascist
ideologies" zu sprechen. Man muss Neoliberale ja nicht m–gen, aber sie
implizit mit
Faschisten gleichzusetzen, ist einfach falsch. Es ist ein Unterschied, ob
Faschisten
einen Menschen zu Tode pr¸geln oder Neoliberale f¸r eine v–llige
Deregulierung eines
bestimmten Marktsegements pl”dieren. Wer diesen Unterschied nicht erkennen
kann,
verharmlost im besten Falle indirekt faschistische Gewalt. Wer diesen
Unterschied
nicht erkennen kann, weiþ eben nicht, dass Neoliberale in aller Regel
Rechtsstaatlichkeit als hohes Gut erachten und Faschisten gerade dies eben
nicht tun.
Hier wurden essentielle Unterschiede einfach versch¸ttet.

Sicherlich ist es problematisch, in der selben Mail auf die Protestnote von
Elisabeth
List einzugehen, da dort nicht vom Faschismus die Rede ist. Trotzdem zeigt
auch ihre
Stellungnahme zu Randy Thornhills Vortrag den Verlust des Augenmaþes. Man
muss den
Vortrag nicht einmal ber¸cksichtigen, um den Protest von Frau List --
zumindest in
dieser Form -- zur¸ckzuweisen. Sie greift Thornhill auf Ebenen an, die eben
nicht in
eine wissenschaftliche Auseinandersetzung geh–ren. So f”ngt der Protest
damit an, auf
das Herkunftsland des Autors abzuheben. Sicher, nicht alles, was aus den
USA kommt,
ist gut. Umgekehrt kann man aber nicht einfach das Gegenteil implizieren.
Es ist der
Auseinandersetzung mit der Soziobiologie auch nicht f–rderlich, diese als
"Popul”rwissenschaft" oder "pop-science" abzutun. Dies ist in der alten
Welt eine der
¸belsten Anw¸rfe an Wissenschaftler, aber kein Argument. Insbesondere aber
maþt sich
Frau List hier ein Urteil ¸ber Wissenschaftlichkeit und
Unwissenschaftlichkeit an,
das sie anderen in ihrer Protestnote selbst abspricht. Sie erhebt damit einen
"Machtanspruch" f¸r ihre Sicht auf Wissenschaft, wie sie ihn f¸r die
Soziobiologie
gerade ablehnt.

Warum greift Elisabeth List die Soziobiologie nicht mit wissenschaftlich
anerkannten
Argumenten an? So kann man der Soziobiologie bspw. einen recht kruden
Reduktionismus
vorwerfen, dessen Richtigkeit von Soziobiologen immer nur behauptet wurde,
aber nie
aufgezeigt werden konnte. Man k–nnte auf die gef¸hrte
sozialwissenschaftliche Debatte
hinweisen, dass es eine bisher nicht ¸berbr¸ckte L¸cke zwischen biologisch
determinierten Verhaltensmustern und sozial geformten Normen und Werten
gibt. Eine
Ebene "h–her" liegt die Diskussion um das Mikro-Makro-Problem, wie aus
individuellen
Pr”ferenzen soziale Normen und Werte entstehen sollen. Man k–nnte sogar darauf
abheben, dass soziobiologische Theorien gegen jede Kritik immunisiert sind,
da sie
empirisch wohl kaum ¸berpr¸fbar und einem Falsifizierungsversuch zug”nglich
sind. Es
g”be also gen¸gend M–glichkeiten, auf Argumente zur¸ckzugreifen, die in der
scientific community durchaus akzeptiert werden.

Stattdessen wird auf eher problematische sprachliche Argumente zur¸ckgegriffen.
Induktive Schl¸sse von einer Sprache auf "die meisten" anderen, ¸berhaupt
ethymologische Ableitungen behaupten auch nur G¸ltigkeit, sind aber nicht
empirisch
beweisbar. Insbesondere ist der Schluss, dass in vielen Kulturen mit
"Gewalt" eine
normative Bedeutung verbunden wird, doch kein Argument dagegen, dass die
Handlungen,
die mit "Gewalt" bezeichnet werden, biologischen Ursprungs sind. Vom Sollen
auf das
Sein zu schlieþen ist genauso falsch wie vom Sein auf das Sollen zu schlieþen.

Grunds”tzlich ist festzustellen: Geistes- und Sozialwissenschaftler sollten
keine
Maulk–rbe verh”ngen, es auch nicht versuchen. Das kann leicht nach hinten
losgehen.
Mit Brandbriefen wie den Genannten muss man sich argumentativ
auseinandersetzen. Es
w”re gerade im Falle von Elisabeth List gut gewesen, wenn sie selbst ihre
Protestnote
versandt h”tte. So aber muss man mit ihr indirekt kommunizieren. Ich halte
dies f¸r
einen schlechten Stil. Das Verbreiten einer Protestnote, wie es hier
geschehen ist,
entspricht -- meines Erachtens -- ein wenig einem Beitrag zur BILD-Zeitung.
Das ist
eine Schrotschussmethode, die dem Thema einfach nicht angemessen ist.
Wissenschaftler
m¸ssen sich aber auch an ihren Methoden messen lassen.

Karsten Weber
--
Dr. phil. Karsten Weber
Raum 280, Tel. +49 335 5534 247

Anschrift:
Europa-Universit”t Viadrina Frankfurt (Oder)
PSF 1786
15207 Frankfurt (Oder)
Germany

Postal Address:
European University Viadrina Frankfurt (Oder)
PO 1786
15207 Frankfurt (Oder)
Germany

http://www.euv-frankfurt-o.de/~w3pgka
http://www.euv-frankfurt-o.de/~kweber



---------- Forwarded message ----------
Date: Wed, 18 Oct 2000 12:43:33 +0200
From: "Schramm, Alfred" <alfred.schramm@kfunigraz.ac.at>
To: 'Dr. Ullrich Michael Haase' <u.haase@mmu.ac.uk>,
     Hans-Joachim Niemann <Hans-Joachim.Niemann@t-online.de>,
     Stefan Weber <cyberwriter@utanet.at>, philweb@philo.at
Cc: register@philo.at, rewired@rewired.com, COYOTE-L@kein.org,
     nettime@bbs.thing.net, syndicate@aec.at
Subject: AW: Elisabeth List zu Randy Thornhill

Herr Haase schreibt:
>Sind Sie sich so sicher, daþ die Philosophie solcher Naivit”t immer mit
>Freude gefr–nt hat? Es ist nicht einmal schwer zu zeigen, daþ Kant sehr
>viele Probleme gehabt hat, Sein und Sollen zu trennen. Ganz davon
abgesehen,
>daþ das vielleicht gar nicht so w¸nschenswert ist. (Daþ es hier keinen
>Kausalschluþ gibt, ist eine ganz andere Sache).

Welche WERTENDE STELLUNGNAHME 'die Philosophie' (wohl besser: manche
Philosophen) bez¸glich eines Sachverhaltes (diesfalls eines
logisch-semantischen) einnehmen und ob der betreffende Sachverhalt
'w¸nschenswert' ist oder nicht, vermag am Sachverhalt selbst nichts zu
”ndern. Grob formuliert: Aus ausschliesslich deskriptive S”tze enthaltenden
Pr”missen k–nnen mangels geeigneter Konsequenzrelationen keine normativen
S”tze (welche also ein nicht-leeres Gebot, Verbot oder eine Erlaubnis
ausdr¸cken) abgeleitet werden.

Vielleicht kann - f¸r einen Anfang - die Intuition bez¸glich dieses simplen
Sachverhaltes gesch”rft werden, wenn man ¸berlegt, dass aus dem Umstand,
dass etwas NICHT DER FALL SEIN SOLL ja auch nicht folgen kann, dass es NICHT
DER FALL IST. Ich habe bei meinen Studenten die Erfahrung gemacht, dass sie
von diesem Beispiel ausgehend leichter Zugang zum Verst”ndnis der Semantik
von einerseits deskriptiven und andererseits normativen S”tzen gefunden
haben. Nach dem ersten 'Aha' ist ihnen dann zumeist die gegenteilige
Auffassung ziemlich naiv vorgekommen.

Mit besten Gr¸ssen

A. Schramm

Univ.Prof. Dr. Alfred Schramm
Karl-Franzens-Universit”t Graz
Abteilung f¸r Rechtsinformatik
Universit”tsstraþe 15/BE
A-8010 Graz
Tel.: ++43 (0316) 380-3405
Fax.: ++43 (0316) 380-693405
alfred.schramm@kfunigraz.ac.at


---------- Forwarded message ----------
Date: Thu, 19 Oct 2000 13:03:32 +0100
From: list <elisabeth.list@kfunigraz.ac.at>
To: Hans-Joachim Niemann <Hans-Joachim.Niemann@t-online.de>
Cc: Stefan Weber <cyberwriter@utanet.at>, "philweb@philo.at"
<philweb@philo.at>,
     register@philo.at, rewired@rewired.com, COYOTE-L@kein.org,
     nettime@bbs.thing.net, syndicate@aec.at
Subject: Re: Elisabeth List zu Randy Thornhill




Zu Herrn Niemann,

Sie haben Recht: Wissenschaftliche Theorien habe immer einen Effekt auf
die allt”gliche Sprachverwendung, und das kann auch ein positiver Effekt
sein. Man kann sich aber nicht auf dieses allgemeine Argument
beschr”nken, sondern die Frage stellen, welche Effekte im konkreten
Einzelfall vorliegen.
Im Fall der "Verwissenschaftlichung" des Themas Vergewaltigung ist es
ein politischer Effekt, und dieser Effekt ergibt sich aus einer
Umdeutung des Begriffs Gewalt. Ein Wissenschaftler, der um Pr”zision und
Klarheit bem¸ht ist, k–nnte zur Beschreibung des Ph”nomens einen anderen
Begriff verwenden, z. B. den der Agression, der weniger
Wertkonnotationen hat.
Alice als Spachkritik h”tte eine detektivische Funktion: Im Einzelfall
kasuistisch nachzuweisen, ob Humpty-Dumpty Recht hat. Also einzelne
wissenschaftliche Text aus der Perspektive einer "Hermeneutik des
Verdachts" zu lesen, also nicht pauschale politische Verurteilungen
auszusprechen.

Elisabeth List




---------- Forwarded message ----------
Date: Thu, 19 Oct 2000 13:27:58 +0100
From: list <elisabeth.list@kfunigraz.ac.at>
To: Dr. Ullrich Michael Haase <u.haase@mmu.ac.uk>
Cc: Hans-Joachim Niemann <Hans-Joachim.Niemann@t-online.de>,
     Stefan Weber <cyberwriter@utanet.at>, philweb@philo.at, register@philo.at,
     rewired@rewired.com, COYOTE-L@kein.org, nettime@bbs.thing.net,
     syndicate@aec.at
Subject: Re: Elisabeth List zu Randy Thornhill

Lieber Herr Haase,

Es ist doch Thornhill selbst, der auf der Trennung von Sein und Sollen
beharrt. Auch wenn es de facto nicht m–gloch ist, diese Trennung
aufrechtzuerhalten, bin ich so altmodisch, an dieser Trennung im Prozeþ
>des Argumentierens festhapten zu wollen.
Lange bevor Hume schrieb und die Soziobiologie antrat, gab es soziale
Ordnungen, deren Sprachregelungen Ausdr¸cke wie Gewalt mit einem
normativen, ethischen Gehalt versehen und in diesr Bedeutung Bestandteil
der Alltagskommunikation waren. Der Naturalist oder der Biologe als
Naturwissenschaftler ist bem¸ht, aus dem allt”glich praktizierten Sollen
ein Sein zu machen.
Der Naturwissenschaftler  vom Typ Thornhills wird mir widersprechen.
Denn im Gegensatz zu mir glaubt er nicht, daþ die Normativit”t sozialer
Regeln und Beziehungen ¸berhaupt ein Faktum ist, das man ernst nehmen
muþ.  F¸r ihn handelt es sich um bloþe Ideologie. So wie er alle
Sozialwissenschaft als bloþe Ideologie betrachtet. Hier tobt ein
Wissenschaftskrieg, der schlimmer ist als der von Sokal angezettelte..

Elisabeth List


#  distributed via <nettime>: no commercial use without permission
#  <nettime> is a moderated mailing list for net criticism,
#  collaborative text filtering and cultural politics of the nets
#  more info: majordomo@bbs.thing.net and "info nettime-l" in the msg body
#  archive: http://www.nettime.org contact: nettime@bbs.thing.net